Nürburgring ist mehr als Formel 1, 24-Stunden-Rennen und Grüne Hölle. Der Oldtimer-Grand-Prix auf dem Ring ist die größte historische Rennsportveranstaltung der Welt. Wer Oldies liebt, applaudiert in der Eifel. Diesmal gab es besonders viele Geburtstage zu zelebrieren – und einen Sieg in eigenen Reihen.
Huschke von Hanstein, James Hunt, Graf Berghe von Trips, Jack Brabham oder Keke Rosberg – sie alle schweben einmal im Jahr wieder am Nürburgring ein. Die Piloten-Legenden sind mittlerweile längst Geschichte, doch ihre Boliden leben weiter. Die unvergleichliche Atmosphäre beim Oldtimer-Grand-Prix ist anders als bei den bekannten Historienveranstaltungen in England, den USA oder Italien. 800 Rennfahrer aus unzähligen Nationen kommen an den Eifel-Ring und verbreiten drei Tage eine Stimmung wie einst bei den Formel- oder Tourenwagen-Rennen, als Hanstein, Hunt oder Checkter noch selbst am Steuer saßen. Rennzigarren, Monoposti, Formel-Boliden, Tourenwagen oder C-Klasse-Flundern gibt es derart nur einmal im Jahr zu sehen: beim Oldtimer-Grand-Prix.
Einer der Höhepunkte ist der historische Marathon, der traditionell auf der Nordschleife des Nürburgrings ausgefahren wird. Porsche 911 kämpfen um jeden Zentimeter gegen Alfa Gulia, DeTomaso Panthera oder Ford Capri und bringen Wehrseifen, Brünnchen oder Karussell mit wahnwitzigen Fahrmanövern zum brodeln. Letztlich setzte sich das Fahrerdoppel Fred und Barney vom Team Classic Driver in dem gewohnt spektakulären Ford Fairlane gegen Ex-DTM-Pilot Frank Stippler und Vorjahressieger Marcus Graf von Oeynhausen mit ihrem grünen Jaguar E-Type durch. „Wenn Graf von Oeynhausen keine Getriebeprobleme gehabt hätte, wäre es am Ende noch mal richtig eng geworden“, so Team Classic Driver. Kein britisches Happy End zum 75. Markengeburtstag.
Zumindest am Freitag und Samstag hatte das Eifelwetter ein Einsehen und so konnte der deutsche Tourenwagen-Spezialist Klaus Ludwig das erste Rennen der „Revival deutsche Rennsportmeisterschaft“ im originalen Porsche 935 knapp vor Daniel Schrey im Fahrzeug des gleichen Typs gewinnen. Paul Singer auf Platz drei machte den Dreifach-Triumpf des brüllenden 935er-Packs perfekt. Mit dem „Revival deutsche Rennsportmeisterschaft“ wird mit Klassikern wie BMW M1, BMW 3.0 CSL, Ford Escort RS oder Chevrolet Corvette an die beliebtesten Rennserien der 70er und 80er Jahre erinnert.
Doch die sportlichen Erfolge stehen beim Oldtimer-Grand-Prix trotz aller Ernsthaftigkeit in der dritten Reihe. Zehntausende von Motorsport- und Historienfans kommen nicht wegen Siegerehrungen und Zeremonien, sondern um im Fahrerlager auf Tuchfühlung mit den automobilen Schätzen der Vergangenheit zu gehen. Keine Absperrungen, keinerlei Hindernisse und internationale Teams, die sich über jede Fachsimpelei freuen, machen den Charme des OGP aus. Kein Wunder, dass viele Marken- und Oldtimerclubs die jährlich im August wiederkehrende Großveranstaltung zu ihrem Festwochenende auserkoren haben. So gibt es rund um die Grand-Prix-Rennstrecke auf Parkplätzen und Freiflächen nicht selten genauso spektakuläre Karossen zu bestaunen wie im Fahrerlager und in der Boxengasse. Wo sonst kann schon einmal in einem Exklusivsportler von Isdera Platz genommen oder unter die Motorhaube eines Jaguar SS 100 geschaut werden?
Die großen Hersteller sind mit ihren Historienabteilungen traditioneller denn je vertreten und zeigen Klassiker wie Maserati Quattroporte, Alfa Romeo 8C oder Porsche 911 verschiedenster Jahrzehnte, historische Ferrari-Renner oder längst vergessene Mini-Sonderversionen. Der britisch-indische Hersteller Jaguar hat den Oldtimer-Grand-Prix seit Jahren zu seiner Lieblingsveranstaltung auserkoren und feierte diesmal stilecht das 75-jährige Firmenjubiläum.
Einen runden Geburtstag mit fünf Jahren weniger gab es bei BMW zu feiern. Die Bayern, erstmals mit einem Werkseinsatz beim 38. OGP vor Ort, zeigten unter anderem den grandiosen BMW 328 Mille Miglia, der vor 70 Jahren die legendäre Mille Miglia gewann. Am Steuer damals: Huschke von Hanstein und Walter Bäumer. Kaum weniger sehenswert im BMW-Areal: der Formel-2-Bolide von March oder der fette BMW 320er aus der Gruppe 5. Ein Vorgeschmack auf die geplante DTM-Rückkehr von BMW. Traditionell stark vertreten sind beim OGP nicht nur deutsche und britische Hersteller, sondern auch die italienischen Sportwagenmarken wie Ferrari, Maserati und Alfa Romeo, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiert. Bei welcher anderen Rennveranstaltung gibt es Tür an Tür automobile Preziosen wie Alfa R5, Maserati Birdcage oder Ferrari Testa Rossa zu bestaunen? Wem die Klassiker aus den 50er und 60er Jahren zu betagt sind: Viele Zuschauer drücken sich die Nasen an den Jungsenioren platt und kommen allein wegen der coolen Youngtimer-Trophy, bei der Volvo 240, Ford Escort RS, Porsche 924 oder VW Scirocco um die Wette glänzen.
Fahrzeuge aus neun Jahrzehnten Automobilgeschichte sorgten beim Oldtimer-Grand-Prix Wochenende 2010 wieder für beeindruckende Motorsport-Impressionen. Eine Auswahl dieses Spektrums präsentiert Classic Driver Fotografin Nanette Schärf in der folgenden Bildergalerie.
Text: Stefan Grundhoff
Fotos: Nanette Schärf
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