Hunderttausend heulende Höllenkatzen, was ist das zur besten Siesta-Zeit bloß für ein infernalischer Lärm? Alte Damen in geblümten Kittelschürzen stürmen auf die Straße, noch ältere Herren in staubigen Siebzigerjahre-Anzügen schütteln tadelnd die Köpfe und die gesamte Dorfjugend rennt winkend und lachend hinterher, als der orangefarbene Roadster mit lautem Gebrüll durch das kleine nordspanische Bergdorf fliegt. Es ist einer der ersten warmen Tage des Jahres und die Sonne brennt auf sattgrüne Wiesen und Hügel, durch die sich das Asphaltband in großzügigen Schwüngen windet. Der große Literat und Jäger Ernest Hemingway hat die von knorrigen Korkeichen gesäumten Bergstraßen im Osten von Pamplona schon 1926 in seinem Roman „Fiesta“ verewigt – sein „Alter Ego“ Jacob Barnes reiste, ausgestattet mit Angeln und reichlich Rotwein, zum Forellenfischen in die Pyenäen-Ausläufer.
Auch der ungestüme, animalisch fauchende Jaguar hätte Hemingway, dem Großwildjäger und Hochseefischer, sicherlich gut gefallen. Mehr als 50 Jahre ist es her, dass die Engländer mit dem E-Type einen echten zweisitzigen Sportwagen herausbrachten. Der neue F-Type tritt aber nicht nur in große Fußstapfen – die stärkste und schnellste Version soll es auch mit den ganz Großen im Sportwagengeschäft aufnehmen. Als würdige Gegner für den 495 PS starken F-Type V8 S nennt Jaguar nicht ohne Stolz den Porsche 911 und den Aston Martin V8 Vantage. Nach einem ersten Eindruck vom Beifahrersitz im März haben wir nun endlich Gelegenheit, uns am Steuer vom Agressionspotenzial des Porsche-Jägers zu überzeugen. Die Gedanken sind frei, die Straßen ebenso – und die große V8-Fiesta kann beginnen.
Die größte Überraschung ist tatsächlich der markerschütternde Klang, der einem selbst Tage später noch in den Ohren klingt. Fährt man den F-Type im strafferen Sportmodus und mit angeknipstem Auspuff-Verstärker, wird jeder Tritt auf’s Gaspedal und jeder Griff in die Schaltwippen mit einem so wilden Prasseln, Knistern und Knallen begleitet, dass man in den ersten Kurven fürchtet, der Benzintank stünde gleich in Flammen. Von den Herden spanischer Bergziegen mit posttraumatischer Belastungsstörung einmal ganz zu schweigen. Doch so raubtierhaft der Motor auch brüllt – das Spiel der Ingenieure mit Fehlzündungen und den Bypass-Ventilen des hinteren Auspuffstranges ist genauestens kalkuliert: Wer sich im Markt für Sportwagen über 100.000 Euro behaupten will, muss bei den Emotions-Triggern klotzen und nicht kleckern. Eine Lektion, die man von McLaren und dem technisch perfekten, aber akustisch etwas charakterlosen MP4-12C gelernt hat.
Auch sonst macht der F-Type wirklich Freude: In 4,3 Sekunden ist man bei 100 km/h, den Zwischensprint von Tempo 80 auf 120 hakt man in 2,5 Sekunden ab und Schluss mit Lustig ist sowieso erst bei 300 km/h. Offen fahren möchte man dann allerdings nicht mehr – schon bei 150 km/h ist es im Cockpit derart stürmisch und laut, dass an eine Unterhaltung nicht mehr zu denken ist. Er ist eben ein richtiger Roadster, der F-Type. Die phantasische Topographie der Berg- und Talstraße, die sich von Burgui auf 1.168 Höhenmeter hinaufschlängelt, um sich dann in sanften Kurven hinab nach Lumbier zu winden, ist dazu prädestiniert, die Agilität des F-Type zu testen. Über das griffige, mit Alcantara bezogene Sportlenkrad (unbedingt dem dickeren Volant vorzuziehen) lässt sich der Roadster wunderbar präzise dirigieren. Eine geschickte Gewichtsverteilung lässt ihn leichter erscheinen, als er mit seinen 1.665 Kilogramm Leergewicht ist, und das adaptive Dämpfersystem verleiht auch bei aggressiverer Gangweise absolute Stabilität und Sicherheit. Selten hat das Spiel mit Gas, Schaltwippen und Bremse so viel Spass bereitet.
In Pamplona angekommen, schalten wir zurück in den leiseren Komfort- und Automatikmodus. Die schmalen Gassen der Altstadt, durch die bei der Fiesta San Fermin im Sommer die Bullen getrieben werden, sind Verstärker genug. Eigentlich hätten wir die Stadt der wilden Stiere in einem Lamborghini bereisen sollen – doch wer hätte es gedacht: Die Raubkatze macht sogar den Mittelmotor-Aggressoren aus Sant’Agata Konkurrenz. Während wir die Reise nach Hemingways Vorbild bei Pastis und mariniertem Oktopus ausklingen lassen, flirrt über der Haube des Jaguars noch die Hitze. Ob der englische Matador den Kampf gegen Porsche, Aston und Co gewinnen kann, wird sich ab dem 24. Mai herausstellen. Dann brüllt der Jaguar F-Type V8 S auch über nordeuropäische Straßen. Es könnte ein guter Sommer werden.
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Fotos: Jan Baedeker / David Shepherd, Nick Dimbleby