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Land Rover Defender 110: One Life

Land Rover Defender 110: One Life

Ladies and Gentlemen: last call! Der Land Rover Defender fährt in die letzte Runde. Mit einem neuen Motor, der dem Downsizing-Prinzip folgt, strotzt er noch einmal Unbill und Widrigkeiten. Und das erstaunlich kultiviert. Ist das der beste Defender aller Zeiten?

Quizfrage: Was haben Land Rover Defender und Porsche 911 gemein? Sie fragen, ob dies eine ernst gemeinte Frage sei? Aber ja. Gut, beide Fahrzeuge werden seit Jahrzehnten gefertigt. Beide Fahrzeuge haben einen ausgeprägten, weltweit anerkannten Charakter. Stimmt, auch den Porsche gibt es seit vielen Jahren mit Allradantrieb. Alles richtig, doch ich möchte auf etwas Anderes hinaus. Von allen in über sechs Jahrzehnten jemals gebauten Land Rover Defender Geländewagen sind heute noch rund 75 Prozent noch im Dienst. Das ist beim Porsche 911 ganz ähnlich. Und: Beide Fahrzeuge weisen einen ähnlich hohen Werterhalt auf. Der Restwert von gebrauchten Fahrzeugen ist geradezu legendär.

Diese Merkmale, geneigte Leserinnen und Leser, belegen, womit wir es beim Defender zu tun haben: mit nicht weniger als einer Ikone. Hier oben in den schottischen Borders nahe der Stadt Edinburgh braucht es keiner ausladenden Beweisführung. Es reicht, den Land Rover mit Verve durch ein Flussbett zu steuern, ihn danach quer in einer 40-Prozent-Steigung zu parken und im spätherbstlichen Gegenlicht umgeben von güldenem Farn einzufangen. Dieses optische Statement sagt alles.

Land Rover Defender 110: One Life
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Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat den Land Rover unlängst denn auch als „Weltauto von Format und Würde“ beschrieben. Die Tageszeitung „Die Welt“ widmete dem Haudegen eine ganze Seite und beschrieb den Land Rover Defender als „letzten seiner Art“. Das ist zutreffend und zugleich bemerkenswert. Denn für die Zulassungsbehörden ist der kernige Offroader ein rollender Anachronismus, der verboten gehört. Spätestens 2015 wird ihn die Gesetzgebung aufgrund mangelnden Fußgängerschutzes lahm legen - nach dann beinahe sieben Jahrzehnten härtester Arbeit rund um den Globus. Ein Gnadenbrot wird ihm dennoch verwehrt. Stattdessen macht Land Rover den Begründer der Markenlegende noch einmal fit für die letzte Runde. Optisch ändert sich kaum etwas. Technisch gibt es einige Upgrades, die dem Land Rover Defender unter dem Strich ein beinahe kultiviertes Benehmen antrainieren, ohne sein Geländetalent einzuschränken.

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Der neue, um 200 Kubikzentimeter kleinere 2,2-Liter-Dieselmotor erfüllt nun die Euro-5-Norm. Und er bietet genauo so viel Leistung und Drehmoment wie sein Vorgänger mit dem Euro-4-Motor: nämlich 122 PS und 360 Newtonmeter. Das langt immer noch für wildeste Offroad-Abenteuer. Gleichzeitig steigt die Höchstgeschwindigkeit von 132 km/h auf – festhalten – nunmehr 145 km/h bei insgesamt verringertem Schadstoff-Ausstoß. Ein Rußpartikelfilter ist serienmäßig verbaut. Sehr angenehm macht sich eine bessere Schallisolierung des Motors bemerkbar. Das typische Motorrappeln und Ventil-Prasseln des Vierzylinder-Diesels und früherer Td5-Modelle ist kaum noch hörbar. Im Innenraum klingt der Defender beinahe etwas zu brav. Der warm gefahrene Dieselmotor brummt zufrieden unter der Haube und erwirbt dadurch sofortiges Grundvertrauen.

Land Rover Defender 110: One Life
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Und so wühlen wir uns durch die vom schottischen Regen durchtränkten Latifundien des Duke of Roxburghe rings um das Nest Kelso. Erst abseits der Straßen ist der Landy so richtig in seinem Element. Geländeuntersetzung und Sperre werden hier noch manuell eingelegt. Das geht mittlerweile so einfach wie ein bloßer Gangwechsel. Dann gibt es kein Halten mehr. Mit ordentlich Drehmoment und Drehzahl fürchtet sich der Defender vor rein gar nichts. Schlammdurchfahren, Flussquerungen, üble Gefällestrecken und Steigungen, die man kaum zu Fuss erklimmen kann. Der Defender meistert sie. Mit Gelassenheit, Bravour und notfalls mit seiner optionalen Seilwinde. Plötzlich allerdings tauchen die Scheinwerfer ab. Das Wasser klatscht gegen Unterboden und Türen. Der Land Rover fährt weiter. Auf den Fußmatten bilden sich kleine Pfützen schottischen Brackwassers. Na und? Das läuft auch wieder ab. Wer seinen Landy so fordert, für den ist die neue mehrstufige Tauchlackierung des Rahmens eine wirklich gute Nachricht. Kenner wissen: Nicht die Aluminiumkarosse ist nach Jahrzehnten harter Arbeit ermüdet, sondern der Rahmen. Ein wirksamer Korrosionsschutz ist hier viel wert.

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Auf der Straße zeigt sich der Defender von seiner manierlichen Seite. Das robuste Sechsgang-Getriebe ist hervorragend abgestuft und lässt sich ohne Kraftakt betätigen. Man kann bei 100 km/h eine gepflegte Konversation über schottischen Whiskey so entspannt führen, als säße man im Roxburghe Castle vor dem knisternden Kaminfeuer. Wer im Defender brüllt, hat eindeutig einen über den Durst genommen, die Betriebsgeräusche jedenfalls halten sich vornehm zurück. Die Passagiere erwartet im Innenraum ein überarbeitetes Armaturenbrett, eine gut funktionierende Heizung, bessere Lüftung und Klimaanlage. Sogar die Sitze wurden verbessert, alleine die B-Säule ist immer noch an ihrem Platz, wie ein Schulterblick nach links deutlich macht: gute, alte Welt. Außen wurde die Motorhaube noch einmal neu in Form gebracht, um den Wagen von seinem Vorgänger abzugrenzen.

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Gebraucht hätte er das alles sicher nicht. Die weltweite Defender-Gemeinde schwört auf ihre alten Blechbüchsen mit Allradantrieb – auch wenn es mal hinein regnet. Auch wenn man in einem betagten Defender ein vergleichsweise ungewohnte Sitzhaltung annimmt, die neudeutsch nun so schön „Command Driving Position“ heißt. Auch wenn es überall rappelt und rumpelt. Dafür hat der der Wagen Charakter und kommt dort durch, wo andere längst stecken bleiben. Getreu dem Motto „It`s never over – in a Land Rover!“

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Mit der jetzt spendierten Frischzellenkur ist der Defender aber auch in punkto Komfort und Verarbeitung – die jahrzehntelangen Schwachstellen - beachtlich weit voran gekommen. Beim unserem Testwagen knirschte nur noch Geröll und Split unter den Rädern – sonst gar nichts. Das ist bei allen Verbesserungen vielleicht die erstaunlichste Tatsache. Spätestens damit ist aber auch eines klar: Bevor der Nachfolger vorfährt, von dem bislang nur kritisch beäugte Designstudien existieren, legt der Defender einen richtig starken Abgang hin. Und wenn sich das erst einmal weitläufig herumgesprochen hat, stellt sich unweigerlich der „Haben wollen“ Instinkt der Final Edition Jäger ein. Für bereits unter 30.000 Euro ist man dabei. Das Angebot scheint attraktiver denn je.

Text: Mathias Paulokat
Fotos: Land Rover / Mathias Paulokat