Zottelige Hochlandrinder, Männer in Röcken und pfeifende Dudelsäcke – diese Clichés verbindet man mit Schottland. Doch gerade der nördliche Teil der Heimat von Sir Arthur Conan Doyle und Sean Connery hat einiges mehr zu bieten. Deshalb lud Bentley zu einer spannenden Entdeckungsreise in seiner neuen Limousine Mulsanne, in die Highlands ein.
Nach der Landung auf dem internationalen Flughafen von Aberdeen, der Stadt an der Mündung des Dee, scheint sich das geläufige Bild des schlechten Wetters in Schottland vorerst zu bestätigen. Gemeinsam mit meinen Mitreisenden aus London führt uns ein bärtiger, kaum zu verstehender Sicherheitsbeamter, durch eine Nebelwand in die zentrale Ankunftshalle des Flughafens. Dort stimmen schottische Weisen aus Lautsprechern uns auf das ein, was noch kommen soll. Vor dem Terminal wartet bereits ein dunkelblauer Bentley Mulsanne nebst Chauffeur. Es ist mein erster Kontakt mit der Ablösung für die in Würde gealterte Arnage-Baureihe. Die einstündige Fahrt in Richtung des Gästehauses der Macallan Destillerie führt über nebelverhangene, schmale Straßen durch die urige Landschaft der Grafschaft Banffshire. Ein Straßenschild klärt darüber auf, dass nach einer scharfen Linkskurve der Whisky-Trial beginnt. Passenderweise befindet sich exakt hinter dem Schild schon die erste von unzähligen Whisky-Brennereien.
Der Nebel ist mittlerweile einem heftigen Regenschauer gewichen, als die Limousine auf die Einfahrt des Macallan Estate einbiegt. Durch den Wasserschleier taucht schemenhaft das um 1700 erbaute Easter Elchies House, Sitz und Gästehaus der Brennerei auf. Noch heute ziert der Bau das Logo jeder Macallan-Whisky-Flasche. Auf dem von akkurat beschnitten Rasenflächen umsäumten Vorplatz aus weißem Kies begrüßte mich die gute Seele der Macallan-Herberge Maggie mit den Worten: „Welcome to sunny Scotland:“
Die Räumlichkeiten des Elchies-Hauses wirken im Übrigen nicht wie der Standard eines Luxushotels, viel mehr fühlt man sich als privilegierter Gast auf dem Landsitz einer schottischen Adelsfamilie. Dieses Gefühl hält auch beim Dinner mit schottischen Spezialitäten und der obligatorischen Whisky-Verkostung an. Neben marinierten Wildlachs aus der Region kommt natürlich auch das Nationalgericht der Schotten, der Haggis, auf den Tisch. Dank guter Recherchevorbereitungen weiß ich, was mich erwartet. „Ein richtiger Haggis der Lowlands“, so klärt Maggie auf, enthalte: gekochte Hirschleber sowie Herz, Leber und Lunge vom Schaf, gemischt mit Hafermehl. Diese Masse wird durch den Fleischwolf gedreht und zum Garen in einen Schafsmagen gefüllt. Zu guter Letzt wird der Haggis – wie auch sonst – mit Whiskey abgelöscht. Geschmacklich erinnert das Gericht an Grützwurst und lässt sich mit ausreichend zwölfjährigem Single Malt sogar genießen.
Am nächsten Morgen muss das Frühstück ausgelassen werden, denn auf dem Programm steht eine Lektion im Fliegenfischen – ein schottischer Volkssport. Bei strahlendem Sonnenschein mache ich mich auf den Weg zum nahegelgenen Ufer des Spey, einem der weltweit besten Flussreviere zum Lachsangeln. Und wieder einmal zeigt sich das Wetter von seiner schottischen Seite. Ich erreiche die Hütte von „Willie the Ghillie“ bei strömenden Regen.
Willie ist ein waschechter Schotte, der bis – auf seine Armeezeit – die Grafschaft Banffshire und seinen River Spey nur selten verlassen hat. Willi ist ein Ghillie, eine Art Verwalter eines fischreichen Flußabschnitts. Er entscheidet, wer sich hier im Fischen versuchen darf und wer nicht. Nach einem obligatorischen Schluck Whisky aus Willies Flachmann wird es ernst: Bekleidet mit Gummistiefelhose und Fliegenrute, wage ich mich in das bräunlich, klare Wasser des reißenden Flusses. Mit hartem schottischen Englisch erklärt Willie die drei wichtigsten Regeln: fließende Bewegungen, Stille und Geduld. Zu Beginn sind meine Bewegungen alles andere als „fließend“, doch nach einer Weile und zahlosen Zurechtweisungen von Willie the Ghillies komme ich mir vor, wie Brad Pitt in Robert Redfords Angel-Drama „In der Mitte entspringt ein Fluss“. Nach einigen Stunden im Wasser und etlichen Whiskey-Schlücken aus Willies Zauberflasche, endet meine Flugangel-Premiere zwar beutelos, aber glücklich.
Raus aus den Gummistiefeln, rein in den Bentley. Es wartet eine Tour zu den 100 Kilometer entfernten Cairngorms Mountains hinter dem Steuer der luxuriösen Limousine. Respektvoll nehme ich auf dem Fahrersitz des Mulsanne Platz, dessen Herstellung mehr als 500 Arbeitsstunden in Anspruch genommen hat. Völlig ruhig und unaufgeregt setzt sich der Mulsanne in Bewegung. Wir ziehen vorbei an rötlichen Heidelandschaften und wilden Bächen. In der Ferne tauchen die ersten Ausläufer der Cairngorms auf. Jenem mystischen Ort, an dem die Quelle des Dee entspringt. Es ist überraschend, mit welcher Leichtigkeit die riesige Limousine die schmalen Straßen bergauf gleitet. Irgendwie fügt sich dieses Automobil-Massiv mit seiner unangepassten, britischen Würde perfekt in die schroffe Berglandschaft ein. Beides eben ein Ort der Ruhe und Hingabe.
Noch völlig berauscht vom eben Erlebten, drängt eine wichtige Verabredung zur Rückkehr zum Macallan-Anwesen. Wir treffen dort Alan, der uns in die Kunst des Destillierens unterweisen möchte. Auf der Führung durch die einzelnen Schritte der Whisky-Produktion erfährt man, was den besonderen Geschmack des flüssigen Goldes ausmacht. Wichtig ist die Qualität des Wassers – für den Macallan wird das Wasser des nahen River Spey verwendet. Weitaus wichtiger ist allerdings die Reifung des Destillats: Je nach Holzart und Lagerungsdauer wird der Whiskey später heller, dunkler, leichter, weicher oder trockener. Je nachdem, ob in den Fässern zuvor Sherry, American Bourbon oder Portwein gelagert wurde, bekommt auch der Whiskey nach einer gewissen Reifungszeit eine entsprechende Geschmacksnote. Die Führung endet natürlich mit einem Glas Whisky.
Am Tag der Abreise präsentiert sich Schottland von seiner sonnigen Seite, so dass der Abschied noch schwerer fällt. Ein Abschied von einer keineswegs alltäglichen Region Europas; ein Abschied von einem keineswegs alltäglichen Automobils. Als wir den Flughafen von Aberdeen erreichen und ich der Limousine entsteige, wird mir erst bewusst, warum man im Vereinten Königreich so viel auf seine Traditionen hält. Denn nur dank dieser Traditionsverbundenheit, entstehen heute immer noch Automobile wie der Mulsanne. Sie mögen in Zeiten von alternativen Antrieben nicht zeitgemäß erscheinen, doch tragen sie die Achtung für die Vergangenheit in die Zukunft.
Text: J. Philip Rathgen
Fotos: Bentley
ClassicInside - Der Classic Driver Newsletter
Jetzt kostenlos abonnieren!