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Audi S6: Der Gentleman bittet zur Kasse

Schnelle, unauffällige Limousinen gehören zur Kernkompetenz von Audi. Am Beispiel des Audi S6 haben wir einmal überprüft, ob die Mischung aus Sportwagenmotor und Außendienstler-Limousine auch heute noch zündet.

Nein, ein Hingucker ist er nun wahrlich nicht. Der graue Audi S6 steht da, wie jeder seiner Hunderttausend Brüder vom Stamme der intern 4F genannten Baureihe. Zwar weisen vier armdicke und verchromte Auspuffrohre auf die Sonderstellung im Audi-Programm hin, aber das war es dann auch schon. Dem Kenner werden noch die speziellen S-Line Alufelgen, die tiefer liegenden Tagfahrlichter und die mit dem S-Logo versehenen Bremssättel auffallen. Mehr Identifikationsmerkmale gibt es jedoch nicht.

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Der S6 fügt sich also betont unauffällig in das Straßenbild ein. Und das ist auch gut so, denn niemand muss wissen, dass unter der Aluminiumhaube ein waschechtes Sportlerherz schlägt. 10-Zylinder, 5,2 Liter Hubraum und eine Leistung von 450 PS sind Werte, die es wohl nur selten in einer derart unauffälligen Verpackung gibt. Öffnet man diese, erlebt der Betrachter eine Lehrstunde für moderne Architektur. Wie gemalt räkelt sich der aus dem Lamborghini Gallardo und Audi R8 5.2 bekannte Motor zwischen den Vorderrädern. Die bestechende, passgenaue Anordnung der Nebenaggregate in den Tiefen des Motorabteils wird nur noch von dem Farbenspiel aus roten Zündleitungen, schwarzem Kunststoff und grauem Hammerschlaglack übertroffen. Ähnlich, wie beim Prestigeobjekt Audi R8, haben die Ingolstädter auch beim Audi S6 einiges dafür getan, dass man das gute Stück am liebsten mit geöffneter Haube ins heimische Wohnzimmer stellen möchte.

Doch zum Stehen wäre der Audi S6 zu schade und so begibt man sich in den direkten Fahrbahnkontakt. Schon das Anlassen ist ein akustisches Highlight. Der V10 startet nach einem kurzen elektronischen Hinweis des Zündschlüssels leicht verzögert sein Konzert. Nicht etwa dumpfes V8-Brabbeln, wie bei seinen Vorgängern, sondern der Sound eines Rennwagenmotors öffnet die Bühne für die ganz große Show. Der Wahlhebel des serienmäßigen 6-Gang-Automatikgetriebes und das Gaspedal diktieren dabei den Takt. Auf Stufe „D“ mit verhaltener Pedalstellung bietet sich dem Zuhörer das Crescendo. Bis etwa 3000/min untermalt der 10-Zylinder dezent das laufende Radioprogramm. Wie auf ein Fingerschnippen ändert sich diese Tonart, öffnet der Fahrer die Drosselklappen oder wählt den optionalen S-Modus im Getriebe. Dann sprintet der Sportler in Nadelstreifen binnen 5,2 Sekunden auf 100 km/h und bläst so jegliche Zweifel an seiner motorischen Potenz durch die Abgasanlage. Dabei hämmert der V10 so nachhaltig sein maximales Drehmoment in den Antrieb des permanenten Allradantrieb, dass die elektronischen Heinzelmännchen der Kraftverteilungsorgane alle Hände voll zu tun haben.

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Im Innern bekommt man von der Leistungsorgie weit weniger mit. Zwar scheint die Tachonadel dem normalen Vortrieb entkoppelt und der Drehzahlmesser zuckt vermeintlich willenlos über die Skala, sonst bleibt aber nur dieses angenehme Druckgefühl im Rücken, wenn sich der Körper in die unerhört bequemen Recaros mit ausziehbarer Oberschenkelauflage presst. Wer den Effekt noch steigern möchte oder aber auf der Landstraße nach Abwechslung sucht, kann dieses Spiel auch mittels der beiden optionalen Schaltpaddel am Lenkrad beliebig wiederholen. Der Automat schaltet dann im Sportmodus noch zackiger, wenn auch etwas herzhaft ruppig runter, die Drehzahl sprintet rauf und der S6 beschleunigt unter dem Stakkato der Zehnzylinder. Die anschließende Verzögerung erfolgt dank groß dimensionierter Bremsen auch nach hartem Einsatz völlig ohne Fading.

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Soweit, so gut. Doch genau darin liegt das Problem. Der Audi ist so perfekt, bietet in seiner Auslegung so wenig Platz für das Zwiegespräch mit dem Fahrer, dass es mitunter ein wenig fade ist, mit ihm im Reglement der STVO unterwegs zu sein. Der Versuch, das Auto an seine Grenzen zu bringen, dürfte jedenfalls nur für wenige Geübte auf einer abgesperrten Rennstrecke möglich sein. Dem Normalfahrer bleibt daher nach kurzer Eingewöhnung Zeit, sich mit den zahlreichen optionalen Fahrerassistenzsystemen, wie dem optionalen, abstandsgeregelten Tempomaten, dem Spurhalteassistenten oder dem Toten Winkel Warner zu beschäftigen. Oder aber sich an der erstklassigen Material- und Verarbeitungsgüte des Innenraums zu erfreuen. Denn auch da macht den Ingolstädtern derzeit keiner etwas vor. Jeder Drehregler, jeder Schalter scheint liebevoll konstruiert und für die Ewigkeit gebaut. Funktion und Anmutung haben in diesem A6 Modell ein Niveau erreicht, das vermutlich kaum noch übertroffen werden kann. Verbesserungsmöglichkeiten ergeben sich hingegen im Bereich der Navigation, die zwar seit der Modellpflege über eine Zoom-Funktion und eine Echtbilddarstellung verfügt, aber in ihrer Bedienung nach wie vor nicht überzeugen kann.

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Am Ende steht wie immer die Frage nach dem Preis: Angesichts der mindestens 84.000 Euro, die für die Grundversion nach Ingolstadt zu überweisen sind, werden es nicht viele sein, die sich an der Unauffälligkeit des S6 erfreuen können. Die, die es dennoch tun, dürfte dann auch der wenig zeitgemäße Spritverbrauch von mindestens 15 Litern Super Plus wenig stören, der den starken Sechser alle 420 Kilometer an die Zapfsäule zwingt.

Der hier gezeigte Audi S6 steht momentan im Classic Driver-Automarkt zum Verkauf, klicken Sie hier zum Angebot.

Quattro GmbH: Mit Taschen fing es an

Auch im Audi S6 kann der Kunde die Dienste der Quattro GmbH in Anspruch nehmen. In der Feinkostabteilung der Ingolstädter kümmert man sich seit 1983 um alle Sonderwünsche der Kundschaft. Standen zu Beginn lediglich der Vertrieb von logogeschmückten Taschen und Regenschirmen auf dem Programm, so begann Mitte der 90er Jahre eine neue Ära. Die zunehmenden Wünsche der Kunden nach Individualisierung führten zu einem raschen Ausbau der Abteilung.

1996 startete die zu diesem Zeitpunkt in eine eigenständige GmbH umfirmierte Tochter der Audi AG mit dem Audi S6 plus erstmals ein eigenständiges Modell. Der Kombi verfügte über einen 326 PS starken Achtzylinder aus dem Audi V8 und konnte immerhin 952 Käufer finden. Die Montage des Fahrzeuges erfolgte jedoch komplett bei Audi in Neckarsulm. Trotzdem trat die Quattro GmbH erstmals auch in den Fahrzeugpapieren als Hersteller auf. Deutlich mehr Anhänger fand das auf dem Audi A4 basierende Modell Audi RS4 mit einem leistungsgesteigerten V6-Biturbomotor und 380 PS. Es folgten weitere Derivate der jeweils aktuellen Audi-Topmodelle, wobei der derzeitige Höhepunkt in der Komplettmontage des Audi R8 liegen dürfte.

Heute kann sich die mittlerweile rund 700 Personen umfassende Truppe um Geschäftsführer Werner Frowein vor Anfragen kaum retten. Spezielle Wünsche der Kunden, wie etwa die Lederausstattung unseres Testwagens in edlem Havanna-Braun, werden seit geraumer Zeit unter dem Label „Audi Exclusive“ bearbeitet. Deutlich aufwändiger gestalten sich dagegen Anfragen nach Einzelanfertigungen, etwa wenn der Lack zum Lippenstift der Frau des Hauses passen soll oder aber eine besondere Telefonanlage samt Faxgerät gewünscht wird. Für alle Wünsche gilt aber trotz der teilweise finanzkräftigen Kunden: Safety first. Denn was nicht die hohen Hürden der Audi-Crashtests erfüllt, kommt auch nicht zum Einbau. Dieses unbedingte Bekenntnis zur Qualität konnten in den letzten 26 Jahren immerhin rund 55.000 Kunden erfahren. Mit dem ebenfalls unter dem „Quattro GmbH“ Label laufenden TTRS werden es vermutlich noch ein paar mehr werden.

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Text: Sven Jürisch
Fotos: Jan Baedeker


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