Jetzt geht’s los: Mit dem Update der S-Klasse schickt Mercedes-Benz auch den ersten Hybridantrieb in Serie. Dank eines kleinen Elektro-Zusatzmotors sollen Emissionen und Verbrauch der Sechszylinder-Limousine deutlich sinken. Doch ist die Technik tatsächlich reif für den Alltagseinsatz? Empfiehlt sich der Umstieg auf den Hybrid? Classic Driver war mit dem Mercedes-Benz S 400 Hybrid auf Erprobungsfahrt im Nordschwarzwald unterwegs.
Die Straße windet sich durch dichte, dunkle Schwarztannenwälder. Zwischen den Bäumen hängt der Nebel. Wenn in der nächsten Lichtung ein röhrender Hirsch hervorträte, man würde sich kaum wundern. Eine gute Kulisse also, um eine neue Antriebstechnik vorzustellen, die sich zumindest theoretisch wieder mit der Natur verbrüdern soll. Dass Mercedes-Benz den ersten, mit Spannung erwarteten Serienhybrid auf dieser Freilichtbühne in strahlendem Unschuldsweiss präsentiert, ist selbstverständlich Teil einer groß angelegten Inszenierung. Zur Marketing-Dramaturgie gehört auch, dass der Alternativ-Antrieb zuerst im erfolgsverwöhnten Luxus-Flaggschiff erhältlich ist und erst später – wahrscheinlich in veränderter Form – an die kleinen Modellgeschwister weitergegeben wird. Um den Ein- und Umstieg für die benzinsozialisierten oberen Zehntausend möglichst schonend zu gestalten, geht die S-Klasse allerdings nur mit einem sogenannten „Mild Hybrid“ ohne die Möglichkeit zum vollelektrischen Antrieb an den Start. Der erste Serien-Vollhybrid soll noch in diesem Jahr in der M-Klasse folgen.
Während Audi an seiner Dieselpolitik festhält, haben sich Mercedes-Benz wie auch BMW bei der notwendigen Entwicklung alternativer Antriebslösungen zunächst gegen Optionen wie Vollelektromotor oder Biotreibstoff und nach japanischem Vorbild für den Hybrid entschieden. Die Konfiguration, die Daimler im April auf der Shanghai Auto Show mit der modellgepflegten S-Klasse präsentiert hat, ist seit vergangenem Jahr unter dem Titel „BlueHybrid“ im Testbetrieb – und zwar nicht nur mit mechanischem, sondern auch imagetechnischem Fokus: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel fährt bereits die blaue Limousine, genauso wie Bundestrainer Jogi Löw und eine nicht genauer bestimmte Zahl von DAX-Vorständen. In der Oberklasse einen sparsamen Hybrid zu fahren ist eben ein Statement, dessen positive Wirkung derzeit nicht unterschätzt werden kann. Um herauszufinden, was das modulare Zweikomponenten-Prinzip jenseits des medialen Blitzlichtgewitters zu leisten vermag, führt uns der Testbericht jedoch zurück in den Tannenwald.
Der Mercedes-Benz S 400 Hybrid kombiniert das 279 PS starke 3,5 Liter V6-Benzinaggregat aus dem S 350 mit einem kompakten Permanent-Magnetmotor, der zwar nur 20 PS, dafür aber 160 Nm Startdrehmoment leistet, was sich nicht nur bei der Start-Stopp-Automatik bezahlt macht. Für die Energieversorgung kommt erstmals in einem Hybridfahrzeug ein Lithium-Ionen-Akku zum Einsatz, der durch einen ansehnlichen Wirkungsgrad bei kompakten Abmessungen und geringem Gewicht die Antriebskonstruktion deutlich vereinfacht hat. Nur 70 Kilogramm mehr als der S 350 bringt der S 400 Hybrid auf die Waage. Und da die gesamte Antriebseinheit im Motorraum Platz findet, werden – im Gegensatz zum Konkurrenzmodell LS600h von Lexus – auch Passagier- und Stauraum nicht beeinträchtigt. Die Kraftübertragung auf die Hinterräder erfolgt über eine modifizierte Version der Siebenstufen-Automatik 7G-Tronic.
Dass der Wagen nach Drehen des Zündschlüssels oder Drücken des Startknopfes tatsächlich läuft, erkennt man nur am Aufleuchten des Armaturendisplays. Im Anfahr-Modus ist zunächst nur der geräuschlose Elektromotor aktiv. Erst wenn man das Gaspedal etwas fester betätigt, wird der sanftmütige Benziner kaum merklich aus seiner Ruhephase erweckt. Sobald man wieder zum Stehen kommt, etwa an der Ampel oder im Stau, schaltet die Start-Stopp-Automatik wieder auf Elektrobetrieb. Die zweite Betriebsphase des Elektromotors beginnt im sogenannten „Boost“-Modus, wenn bei stärkerer Beschleunigung oder kurzen Zwischenspurts das elektrisch generierte Drehmoment zur sparsamen Leistungssteigerung genutzt wird. Die kombinierte Maximalleistung des Parallel-Hybrids liegt dann bei kraftvollen 299 PS und 350 Newtonmetern. Während unseres Beschleunigungstests in den Schwarzwald-Serpentinen ist der Einsatz des Elektromotors allerdings kaum zu erkennen, so wie auch das Zusammenspiel zwischen den Aggregaten im Allgemeinen beeindruckend fließend und störungsfrei verläuft. Respekt an dieser Stelle für die Ingenieursleistung.
Im Neuen Europäischen Fahrzyklus NEFZ hat der Mercedes-Benz S 400 Hybrid einen Durchschnittsverbrauch von rund acht Litern Treibstoff auf 100 Kilometer und damit einen CO2-Ausstoß um 190 g/km erreicht, was die Stuttgarter Pressestelle von Daimler umgehend zur Verleihung des Titels „weltweit effizienteste Luxuslimousine mit Ottomotor“ veranlasste. Um diese Werte auch im Alltagsbetrieb zu erreichen, benötigt man allerdings eine ordentliche Portion Selbstdisziplin und einen leichten Gasfuß. Bei etwas dynamischerer Fahrweise über kurze Autobahnetappen und die Höhen des Nordschwarzwaldes kamen wir auf einen realistischen Durchschnittswert von rund 12 Litern auf 100 Kilometer. Ob sich der neue Mercedes-Benz S 400 Hybrid auch jenseits von Image-Überlegungen als Alternative zum sparsamen S 350 CDI BlueEfficiency empfiehlt, hängt also letztlich von Sparsamkeitswillen des Fahrers ab.
Spannender als die Verbrauchsanzeige erschienen uns jedoch die Piktogramme, die den Fahrer auf Wunsch über den Energieein- und Ausfluss des Elektromotors informieren: Beim Bremsen wird nämlich durch Rekuperation die Bremsenergie zurückgewonnen und in den Lithium-Ionen-Akku eingespeist. An den Gedanken, dass beim Betätigen des Bremspedals grundsätzlich erst der Elektromotor für die Verzögerung sorgt und erst für sehr starke Verzögerungen die Scheibenbremsen zum Einsatz kommen, muss man sich erst einmal gewöhnen. Das etwas ungewohnte Feedback der Bremse hat man hingegen schnell adaptiert. Auch am Berg vermittelt die Hybrid-S-Klasse das baureihentypische Gefühl maximaler Sicherheit, das durch ein umfassendes Paket neuer Assistenzsysteme ergänzt wird: Zur Ausstattung gehören unter anderem ein Geschwindigkeitslimit-Assistent, ein adaptiver Fernlicht-Assistent, ein Ausgleichssystem gegen Seitenwind und ein Müdigkeitserkennungs-Assistent – der auch bitter nötig geworden ist, seit der Beifahrer während der Fahrt auf dem zentralen Split-View-Display DVDs gucken kann, statt den Fahrer mit gehobener Konversation bei Laune zu halten.
So gleitet man gewohnt komfortabel, leise und von den Massagesitzen dezent beglückt durch die Wälder – und ist fast ein wenig enttäuscht: Keine Eingewöhnungszeit, keine Qualitätsverluste, keine futuristischen Fahreindrücke, über die man schreiben könnte. Nach Monaten des medialen Trommelrührens findet die Heilbringertechnolgie Hybrid den Weg derart subtil und reibungslos in die Serie, als würde die S-Klasse seit jeher mit Mischantrieb angeboten. Die Mild-Hybrid-Variante des BMW 7ers, die in diesem Jahr ebenfalls startet, wird sich ähnlich schonend ins Modellprogramm einfügen. Auch beim Preis bringt der S 400 Hybrid den Markt nicht ins Wanken; mit einem Basispreis von rund 85.000 Euro (etwa 93.000 Euro für den von uns getesteten langen Radstand) bewegt sich der Newcomer im unteren Drittel der S-Klasse-Skala. Die meisten Käufer des Hybrid erwartet Daimler übrigens nicht in Europa, sondern in China zu generieren. An die asiatischen Kunden dürfte sich letztlich auch die dramatische Schwarzwald-Inszenierung gerichtet haben.
Text & Fotos: Jan Baedeker
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