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Magazin

Porsche 911 Carrera 4S Cabrio



Lieber Leser, bitte machen Sie es sich bequem. Ja, legen Sie ruhig die Füße hoch. Erzählen Sie doch einmal, was Sie zu mir führt. Sie haben also Angst vor Wolken. Das bezeichnen wir als Nephophobie. Und in engen Räumen haben Sie auch Angst? Das nennt man Klaustrophobie, das wissen Sie bestimmt. Und dann haben Sie Angst vor der Schwerkraft? Das ist ungewöhnlich, aber auch dafür gibt es einen Namen: die Barophobie. Aber seien Sie unbesorgt, denn – Sie werden es vielleicht nicht glauben – es gibt ein einfaches Heilmittel für all Ihre Beschwerden. Doch um Ihnen das in verständlicher Form zu erklären, muss ich ein wenig ausholen.

Porsche 911 Carrera 4S Cabrio Porsche 911 Carrera 4S Cabrio

Deutschland im Jahr 2006. Das „Phänomen Porsche“ hat sich vom Vorbildprinzip der Automobilindustrie zum Präzedenzfall eines modernen Wirtschaftswunders entwickelt. Durch hohe technische Qualität, intelligente Modellpolitik und einzigartige Markenstabilität bewegt sich die Stuttgarter Sportwagenschmiede von einem Kurshoch zum nächsten – und immer einige Wagenlängen vor der Konkurrenz. Laut aktuellen Umfragen übt kein anderes Automobil auf deutsche Manager eine größere Faszination aus als der Porsche. Und kein anderer Sportwagen steht so unmissverständlich für Lebendigkeit, Zukunftsorientierung, Erfolg und Selbstbewusstsein wie der mythische Nukleus, der Kern der Marke, der alle Emotionen bündelt: der Porsche 911. Das kann man so stehen lassen und nicken. Oder man kann dem Geheimnis seines Erfolges auf den Grund gehen, nachforschen, ausprobieren. Sechs geschlossene Varianten des „Elfers“ – vom Carrera-Basismodell bis zum renntauglichen GT3 – stehen momentan zur Auswahl.
Dazu kommen vier offene Versionen. Ein Blick auf Kalender wie Wetterkarte, eigentlich keine schwere Entscheidung. Den Schlüssel zum vierten, nämlich neuesten und schnellsten Cabriolet, lasse ich an einem Junimorgen ins Zündschloss links neben dem Lenkrad gleiten.

Porsche 911 Carrera 4S Cabrio Porsche 911 Carrera 4S Cabrio

Mit einem satten Dröhnen erwacht das Porsche 911 Carrera 4S Cabriolet aus seinem Schönheitsschlaf. Mit 3,8 Litern Hubraum und 355 PS ist der Boxermotor in meinem Rücken üppig ausgestattet, verhält sich im Hamburger Stadtverkehr jedoch überraschend zurückhaltend und komfortabel. Fast sanftmütig reagiert er auf meinen Gasfuß, auch die Kupplung tritt sich wie Butter, nur die Keramikbremsen machen mit leisem Zwitschern auf ihre Unterforderung aufmerksam. Auf dem Beschleunigungsstreifen entfaltet sich das Potential der Maschine: Nur 4,9 Sekunden braucht der offene „Elfer“ bis zur 100 km/h-Marke, bei 288 km/h ist laut Werksangaben Schluss. Dazwischen offenbart sich, wieso der Porsche 911 keine Konkurrenz zu fürchten hat: Das Fahrwerk reagiert mit absoluter Präzision auf alle Antriebsbefehle, das Porsche Active Suspension Management – kurz PASM – sorgt gleichzeitig für eine komfortable Abstimmung der Dämpfer. Wer es doch etwas härter mag, drückt die Sport-Taste für straffe Rennstrecken-Schüttelung. Der eigentliche, namengebende Fahrwerks-Clou des Carrera 4S ist allerdings der Allradantrieb. Über eine Visco-Lamellenkupplung bringen die vorderen Räder je nach Bedarf zwischen fünf und vierzig Prozent der Motorkraft auf die Straße, den großen Rest presst die um 44 Millimeter verbreiterte hintere Spur auf den Asphalt.



200, 220, 240 km/h zeigt die Digitalanzeige zwischen den Rundinstrumenten. Darunter der Durchschnittsverbrauch: 14,4 Liter Superplus. Ein faires Geschäft. Wie ein Hochgeschwindigkeitszug liegt der Porsche jetzt in der Spur. Die Kondition des Sechszylinders ist beeindruckend – selbst jenseits der 260 km/h zeigen sich beim Vorwärtstrieb keine Ermüdungserscheinungen. Im sechsten Gang zuckt die Drehzahlnadel in den roten Bereich, der Motor brüllt. Der Sportsitz umklammert mich wie eine maßgefertigte Zwangsjacke. Ich brauche Luft. Ein Tritt in die Eisen – sofort schlägt die immense Gegenbeschleunigung der Keramikbremsen ein. Ich schalte herunter, ziehe nach rechts, drücke den Schalter auf der Mittelkonsole nach vorn, die Fenster fahren herunter, das Stoffdach verschwindet unter der Abdeckung, ich gebe Gas, schalte hoch, schieße zurück auf die linke Spur und spüre die Kraft der Sonne auf der Haut. Gerade mal 20 Sekunden dauert die Metamorphose vom Coupé zum Cabriolet – sogar während der Fahrt bis 50 km/h kann die Verwandlung stattfinden. Doch nicht nur für schnelle Boxenstops bei beginnendem Regen taugt das Verdecksystem - mit 42 kg wiegt das Stoffdach auch nur die Hälfte eines vergleichbaren Vario-Klappdaches, was wiederum der Straßenlage und der Querdynamik zu Gute kommt. Und gegen den Fahrtwind schützen die geteilten Seitenfenster – neu: die Fondscheiben gegen Zug im Nacken - und das effektive Windschott. Erst bei längeren Strecken über Tempo 250 sollte man nach einer Mütze greifen oder das Verdeck notfalls schließen.

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Nach fünf Tagen hinter dem Steuer des Porsche verändert sich langsam mein Biorhythmus: Ich wache mit den ersten Sonnenstrahlen auf, kenne die Wetterfee im Frühstücksfernsehen mit Namen, ebenso wie die Hochdruckgebiete, mit denen ich reise. Geschlossene Räume empfinde ich als beklemmend, ebenso die Stunden der Ruhe, wenn die Erdanziehung meinen Kopf in die Kissen presst. Auf der Flucht vor den Wolken wähle ich mein Telefonbuch durch, immer auf der Suche nach einem neuen Auftrag, einem Grund für eine Autobahntour in die roten Regionen der Wetterkarte. Die ersten Nummern bringen nur Absagen, die alten Bekannten fahren ihre Kinder lieber selbst zur Schule, vertrauen ihre Pakete der Post an. Die Temperaturen steigen. Ziellos fahre ich umher. Im Norden türmen sich erste Gewitterwolken, Wind kommt auf. Ich rase gen Süden, entlang der Sonnenkante, vor mir strahlen die norddeutschen Rapsfelder im Licht, die Landschaften im Rückspiegel werden erst grau, verschwinden dann völlig im Schatten. Den Wetterdienst habe ich auf eine Standleitung gelegt. Das Navigationssystem warnt vor Staus, berechnet im Minutentakt neue Strecken. Noch brennt die Sonne auf meinen Armen – doch der Wind wird stärker. Die Schatten sind jetzt direkt hinter mir. Kassel, Frankfurt, kurzer Tankstopp an der äußersten Säule, mit Vollgas weiter, Mannheim, Karlsruhe, Basel. Der gelbe Lack strahlt im Licht, der Himmel im Rückspiegel bleibt schwarz.



Der Porsche, der mich umgibt, ist mir ein Schutz geworden. Ein Helfer im Kampf gegen Trägheit, Dunkelheit, Schwerkraft und Enge. Er ist das Heilmittel für meine Beschwerden, die ich ohne ihn nicht kannte. Nephophobie, Barophobie, Klaustrophobie. Es war mir eine Freude, wir werden uns nicht wieder sehen. Wer seinen Ängsten davon fährt, muss das Tempo halten. 355 PS, 288 km/h, nur 4,9 Sekunden von Null auf Hundert. Ihr werdet noch merken, wie schnell ich bin. Meinen aktuellen Standort muss ich für mich behalten, nur so viel: Noch scheint die Sonne.

Text & Foto: Jan Baedeker


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