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Magazin

BMW 6er Coupé

Weiß blaue Geschichten

Text: Sven Jürisch
Fotos: Ferenc Kempermann / Michael Leidenfrost

„Harry, hol’ schon mal den Wagen!“ Dieser Satz führte in den späten Siebzigern regelmäßig dazu, dass Harry Klein, rechte Hand des Oberinspektors Derrick, für seinen Chef eine mehr oder minder gut ausgestattete BMW Limousine vorfahren durfte. Handelte es sich zu Beginn der Karriere der beiden Münchner Kriminalbeamten meist um einen 5er BMW, so stieg man später zu dem 7er-Topmodell der Marke auf. Doch obwohl die beiden Herren meist nur zu zweit unterwegs waren, kamen sie nie in die Versuchung sich für das zwischen den beiden Baureihen angesiedelte 6er Coupé zu entscheiden. Erst Jahre später sollte Ottfried Fischer in der „Bulle von Tölz“ die Liebe zu dem in der Zwischenzeit eingestellten Coupé bekennen: In zahlreichen Folgen pilotierte er ein in dezentem Dunkelblau gehaltenes BMW 635 CSI Coupé durch das Tölzer Land.

Auch wenn die intern E24 genannte Baureihe ein wenig im Schatten der Konkurrenz stand, war sie in ihrer Klasse doch ein guter Kompromiss: Nicht so nachlässig gebaut wie der Jaguar, dynamisch genug, um auf der Autobahn die Konkurrenz mit Stern auf die Plätze zu verweisen und dabei so geräumig, dass spätestens nach der dritten Kiste Wein im Kofferraum jeder 911er-Fahrer vor Neid erblasste. Vielleicht lag in dieser Allroundeignung auch der Grund für die extrem lange Bauzeit. Von 1976 bis 1989 verkaufte BMW insgesamt 86.219 Exemplare des zu Beginn immerhin 43.000 DM teuren Autos. Dabei stand gerade der Start des E24 unter keinem guten Stern. Geplant als Nachfolger des legendären CS Coupés, wurde der Bayer im Exil gezeugt. Die mittlerweile insolvente Karosserieschmiede Karmann erhielt im Oktober 1975 zunächst den Auftrag, das 6er Coupé komplett im Lohnauftrag für BMW zu fertigen. Zwei Jahre und 9.800 Fahrzeuge später verlagerte BMW die Produktion wegen zu großer Qualitätsschwankungen zurück in das BMW Werk nach Dingolfing. Fortan wurden dort die nach wie vor in Osnabrück gefertigten Karosserien endmontiert.

BMW 6er Coupé

Technisch baute das auf dem Genfer Salon präsentierte Modell auf den bekannten Komponenten des Herstellers auf. So kam zunächst im BMW 630 CS ein mit einem Vergaser bestückter 3,0-Liter-Sechszylindermotor mit 185 PS und in dem Modell 633 CSI ein 200 PS starker 3,2-Liter-Motor zum Einsatz. Beide Modelle verfügten über ein sportlich abgestimmtes Schaltgetriebe. Ein Automatikgetriebe bot BMW erst später für den Einspritzer an. Bereits zu Produktionsbeginn setzten die Münchner auf die Bosch L-Jetronic zur Kraftstoffversorgung, nicht zuletzt auch, um dem üppigen Verbrauch des Sechsers Herr zu werden. Im Laufe der Jahre wurden die Motoren durch immer modernere Versionen aus dem aktuellen BMW Programm ersetzt. Dem 633 CSI folgten im Dezember 1977 der 3,5 Liter große und 218 PS starke 635 CSI, während im Juni 1979 an der Basis der 184 PS leistende 628 CSI den Vergasermotor ablöste. Besondere Beachtung verdiente der im Januar 1984 eingeführte M635 CSI mit Vierventilmotor auf Basis des 3,5-Liter-Triebwerks. Dieser bereits aus dem Sportwagen M1 bekannte Reihensechszylinder brachte es auf eine Leistung von 286 PS und katapultierte das Coupé in die erste Reihe der damaligen Supersportwagen.

BMW 6er Coupé

Die Version mit G-Kat des 635 CSI leistete zunächst nur 185 PS und erstarkte erst 1987 mit der Umstellung auf die zeitgemäße digitale Motorsteuerung (DME II) zu alten Kräften (211 PS), während eine abgasgereinigte Variante des 628 nicht mehr angeboten wurde. Als Spitzenmodell der Katalysatormodelle fungierte weiterhin der M635 CSI, der nun jedoch 26 PS Leistung eingebüßt hatte. An der sehr stilvollen Silhouette änderte BMW dagegen nur wenig. So sorgten 1982 geänderte Radausschnitte, eine veränderte Auspuffposition und ein Heck- und Frontspoiler für eine dynamischere Optik.

BMW 6er Coupé

Mit Beginn des Modelljahres 1987 frischte BMW das Topmodell durch wuchtige Kunststoffstoßfänger samt Ziehharmonikaelementen im US-Style auf. Der Heckspoiler wurde durch ein zweigeteiltes Exemplar ersetzt, im Innenraum gönnte man den Passagieren mit der Einführung der separaten Klimaanlage im Fond oder der besonders umfangreichen Highline-Lederausstattung deutlich mehr Luxus. Der Fahrer konnte sich zusätzlich an der optionalen elektronischen Dämpferkontrolle (EDC) oder an der geschwindigkeitsabhängigen Servolenkung erfreuen.

Trotz der fortlaufend einfließenden Änderungen ließ es sich zum Ende der achtziger Jahre nicht mehr leugnen, dass das Auto in die Jahre gekommen war. Und so rollte am 14. April 1989 ein 635 CSI als Letzter seiner Baureihe vom Band. Nur wenige Monate später stand mit dem 8er Coupé ein Nachfolger bereit, der das Preisniveau für den plötzlich antik aussehenden Vorgänger für Jahre ins Bodenlose fallen ließ.

BMW 6er Coupé

Technik 1

Das 6er Coupé ist als Kind der Siebziger vor allem ein Opfer der braunen Pest geworden. Besonders die wenig oder überhaupt nicht konservierten Karmann Modelle (erkennbar an der Karmann Plakette an der Innenseite der A-Säule) dürften auf einem Kehrblech Platz finden. Die immerhin fast 30 Jahre alten Fahrzeuge rosteten bereits wenige Jahre nach der Auslieferung an fast allen Stellen. Doch auch spätere, bei BMW gefertigte Fahrzeuge erkrankten am Rostbefall. So sorgte der Verzicht auf vordere Kunststoffradhausschalen für durchgefaulte Kotflügel und Stehbleche.

Spätere Modelle verfügen zwar über verzinkte Kotflügel, rosten dafür aber im Unterboden ebenso wie ihre jüngeren Verwandten. Daher sollte bei einer Besichtigung die Fahrt auf die Hebebühne unbedingt zum Pflichtprogramm gehören. Findet sich dann abgelöster Unterbodenschutz, müssen die Alarmglocken klingeln. Denn an diesen Stellen kriecht das Wasser dank des Kapilareffektes auch bei offenkundig unbeschädigten Stellen zwischen Blech und Schutzmasse und sorgt für raschen Zerfall des Blechs. Als Schwachpunkte der frühen Modelle zeigt sich auch der Rahmen des optionalen Schiebedachs samt Wasserabläufe. Blasenbildung oder gar Durchrostungen in diesem Bereich ziehen meist umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen nach sich, die nicht selten den Wagenwert übersteigen. Aber auch die Vorhangteile wie Hauben und Türen werden in der Regel nicht vom Rost verschont. Insbesondere die Nahtabdichtungen und Kanten sollten einer gründlichen Kontrolle unterzogen werden. Sorgfalt kann auch bei der Inaugenscheinnahme des Kofferraums nicht schaden. Ist beispielsweise das hoffentlich noch vollständig vorhandene Bordwerkzeug an der Innenseite des Kofferraumdeckels völlig verrostet, so gleicht das Gepäckabteil in der Regel einem Biotop. Verursacher sind entweder durchgefaulte Radhäuser oder aber undichte Rückleuchten.

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Den Motoren im BMW 6er kann ein durchweg positives Zeugnis ausgestellt werden. Die Reihensechszylinder halten bei pfleglicher Behandlung und regelmäßiger Wartung mehrere 100.000 Kilometer. Die Mechanik des Motors leidet allenfalls unter defekten Ölabstreifringen (Bläuen bei stoßweisem Gasgeben aus dem Leerlauf) oder unter ausgehärteten Ventilführungen (Blaurauch im Schubbetrieb). Das Problem undichter Zylinderkopfdichtungen tritt indes nur bei älteren 635 CSI-Modellen gehäuft auf und zeigt sich mit Ölspuren im Kühlwasser und hohem Druck im Kühlmittelsystem (sehr harte Wasserschläuche bei betriebswarmem Motor). Während die Wartungskosten für die Standardmodelle überschaubar waren, konnte der M635 CSI den Eigentümer an den Rand der Verzweiflung oder in den Ruin treiben. So verfügt der Rennmotor nicht über wartungsarme Hydrostößel, sodass die Ventile turnusgemäß von Hand eingestellt werden müssen. Die Kosten hierfür sind üppig und die Arbeit kann kaum noch im täglichen Routinebetrieb einer BMW Niederlassung durchgeführt werden. Generell ist der Rennmotor kein Fall für Hobbyschrauber. Die filigrane Technik verlangt viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Wer sich für diese Perle im Programm des Sechsers interessiert, sollte sich vor dem Kauf unbedingt um eine qualifizierte Werkstatt in seiner Nähe für die Wartung bemühen. Ohne diese Hilfe wird das insgesamt nur 5.855 Mal produzierte Topmodell schnell zu einem Fiasko.

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Die restlichen Komponenten des Antriebes sind, unabhängig vom Motortyp, nahezu unauffällig. So gelten die Schaltgetriebe als langlebig und überstehen auch hohe Laufleistungen klaglos. Anders die bei ZF gefertigten Automatikgetriebe mit anfangs nur drei Gängen, die auf verschleppte Ölwechsel mit schlechter Schaltqualität reagierten. Das Aus für den Automaten droht auch, wenn der Vorbesitzer dem sportlichen Ruf der Marke allzu sehr gerecht werden wollte und im Umgang mit dem Getriebe wenig zimperlich war. Speziell der schnelle Wechsel der Fahrtrichtung führt zu einer erhöhten Belastung der Komponenten und damit zu erhöhtem Verschleiß des Automaten. Ein gutes Stück Sicherheit über den Zustand des Getriebes erhält der Interessent durch die Kontrolle des Getriebeöls. Dieses sollte frei von Spänen oder silbernem Metallabrieb und möglichst durchsichtig sein.

BMW 6er Coupé

Technik 2

Das Fahrwerk des Sechser Coupé verfügt rundum über Einzelradaufhängung und trägt in seiner sportlichen Auslegung zur sprichwörtlichen Freude am Fahren bei. Das trifft jedoch nur zu, wenn alle Komponenten in einem optimalen Zustand sind. Breitreifen, harte Sportdämpfer und jugendlicher Übermut der Viert oder -Fünfthandbesitzer bereiten jedoch auch den härtesten Gummibuchsen und Traggelenken frühzeitig Probleme. Für eine Überprüfung des Zustandes reicht im Regelfall eine Probefahrt mit gespitzten Ohren und mit etwas Feingefühl aus. Flattert die Lenkung etwa beim Bremsen, so ist dies neben eventuell krummen oder verschlissenen Bremsscheiben ein sicheres Indiz für ausgeleierte Gummilager der Druckstange der Vorderachse. Verschlissene Koppelstangen (Verbindung zwischen Stabilisator und Federbein) machen sich hingegen durch lautes Klappern bei Fahrbahnunebenheiten bemerkbar. Ist hingegen ein ungewöhnliches Geräusch beim Einschlagen der Lenkung zu hören, so haben entweder die oberen Domlager, die Spurstangenköpfe oder, im schlimmsten Fall, das Servolenkgetriebe den Belastungen nicht mehr standgehalten. Viele der beschriebenen Defekte lassen sich meist durch den Austausch der betroffenen Gummielemente beseitigen. Es sollte jedoch nicht verschwiegen werden, dass in der Regel nicht nur ein Bauteil defekt ist, sondern dass die Vorderachse je nach Fahrweise ab 150.000 Kilometer eine gründliche und kostenintensive Instandsetzung verlangt.

Konnte der Sechser bis zum heutigen Tag von jugendlichen Basteltrieben bewahrt werden, ist es um den Zustand des restlichen Fahrzeugs meist gut bestellt. Alle vorhandenen Extras, insbesondere die Funktion der Klimaanlage mitsamt ihren zahlreichen Stellmotoren, sowie die korrekte Arbeitsweise der pneumatisch betriebenen Scheinwerferhöheneinstellung, sollten einer ausgiebigen Funktionsprüfung unterzogen werden. Ist ein originales Hifi-System montiert, testen Sie auch ausgiebig dessen Funktion, da Reparaturen wegen der schlechten Teileversorgung teuer sind. Das ebenfalls an Bord befindliche Autochecksystem ist dagegen zu Unrecht in Verruf geraten und versieht seine Arbeit meist störungsfrei.

BMW 6er Coupé BMW 6er Coupé

Weniger Freude bereitet naturgemäß das Thema Bremsen. Die meist mit ABS bestückte Anlage des Sechsers befindet sich bei vielen Fahrzeugen oftmals in einem miserablen Pflegezustand. Eingelaufene Bremsscheiben, festsitzende Bremssättel oder defekte Handbremsseile sind stumme Zeugen von verschleppter Wartung. Angesichts der hohen Kosten für die Erneuerung der einzelnen Komponenten ist ein Defekt an der Bremsanlage in jedem Fall ein Grund, den Verkaufspreis zu drücken.

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Fazit und Kosten

„Jetzt kaufen!“ heißt die Empfehlung für den Sechser. Denn ihren ersten Höhenflug haben Topfahrzeuge bereits hinter sich gebracht. Der Preis für „normale“ 6er Coupés hat sich in den vergangenen Jahren bei rund 10.000 Euro eingependelt. Dies bezieht sich auf saubere Erst- bis Dritthandfahrzeuge mit nachvollziehbarer Historie und gut gefülltem (BMW) Wartungsbuch. Verbastelte Ruinen mit Reparaturstau oder erheblichen Korrosionsschäden gibt es deutlich günstiger. Doch eine Vollrestauration ist in keinem Fall lohnend, da der Wagen vermutlich nie das Potential haben dürfte, das investierte Geld wieder einzuspielen. So stellt das Fahrzeug mit einer gesunden Basis und attraktiven Extras in jedem Fall eine bessere Wahl dar, als die noch zu revidierende Ruine für kleines Geld. Die aufgrund des derzeit günstigen Dollarkurses am Markt befindlichen Fahrzeuge aus den USA können nur bedingt ein Schnäppchen sein. Ungenaue und wenig nachvollziehbare Angaben zu Unfallschäden, Kilometern und Vorbesitzern machen diese Fahrzeuge oft zu einer unsicheren Angelegenheit. Gleiches gilt für Fahrzeuge aus Italien, die überraschenderweise immer fünfstellige Kilometerstände aufweisen. Ein Geheimtipp stellen aufgrund des interessanten Wechselkurses und der üblicherweise sehr geringen Laufleistung Fahrzeuge aus Japan dar, die jedoch sehr selten angeboten werden. Diese Fahrzeuge verfügen in der Regel über Topausstattungen und befinden sich aufgrund der hohen Wertschätzung der Japaner gegenüber deutschen Autos oftmals in traumhaften Zuständen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten, da trotz der geringen Laufleistung (oder gerade deswegen) sämtliche Dichtungen und Gummiteile porös sein könnten.

Bei der Wahl des richtigen Modells ist der persönliche Nutzen entscheidend: Ein 6er von Karmann etwa eignet sich weniger für den täglichen Weg zur Arbeit, als ein mit Katalysator bestückter 635 CSI der letzten Serie. Auf einem deutlich höheren Preisniveau von rund 20.000 Euro rangiert der rare M635 CSI, von dem mittlerweile sämtliche Fahrzeuge in fester Hand sein dürften. Interessenten bleibt nur die Hoffnung, dass die Finanzkrise das ein oder andere Schnäppchen hervorbringt. Aufgrund der hohen Ersatzteilpreise und der oftmals wenig optimalen Beschaffungssituation ist dieses Modell aber eher weniger für den täglichen Fahrspaß geeignet. Die Serienmodelle profitieren dagegen von der Großserientechnik und lassen sich mit vertretbaren Kosten am Laufe halten, wenngleich auch bei ihnen der Unterhalt nicht günstig ist. Insbesondere Zierteile oder Ersatzteile für die zahllosen Sonderausstattungen gehen, sofern lieferbar, kräftig ins Geld. Denn BMW hat viele Jahre ins Land gehen lassen, bis man das lukrative Geschäft mit den Youngtimern der Marke entdeckte.

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Technische Daten

Fahrzeugaufbau:

Zweitüriges Sportcoupé mit hinteren Notsitzen und umklappbarer Rücksitzbank. Rohkarosse aus verzinktem Stahlblech mit Aluminium Vorhangteilen.

Motoren:

Sechszylinder-Reihenmotoren mit Hubräumen von 2.8 bis 3,5 Liter

Leistung:

185 PS (630 CS), 200 PS ( 633 CSI) , 635 CSI mit G-Kat ab Bj. 87: 211 PS, 286 PS (M635 CSI)

Kraftübertragung:

Wahlweise 5-Gang-Schaltgetriebe oder Automatikgetriebe (spätere Versionen mit elektro-hydraulischer Steuerung), Sperrdifferential auf Wunsch, Heckantrieb

Max. Fahrleistungen:

Höchstgeschwindigkeit: 255 km/h
Beschleunigung: 6,4 Sekunden
(Werte gelten für einen M635 CSI mit G-Kat und Schaltgetriebe)

Im Classic Driver-Automarkt stehen veschiedene Exemplare der BMW 6er-Baureihe zum Verkauf, klicken Sie hier.

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