Direkt zum Inhalt

Magazin

Jaguar D-Type

Jagflosse

Text: Mathias Paulokat
Fotos: Gooding & Company

It's Jag-Time! Für 3,74 Millionen US-Dollar sicherte sich Ende Januar 2010 ein enthusiastischer Bieter auf der Gooding & Company Scottsdale Auktion in Arizona, USA, einen originalen 1955er Jaguar D-Type. Das minimale Design des Fahrzeugs, gezeichnet von Malcolm Sayer, setzte über lange Zeit Maßstäbe. Die robusten Sechzylinder-Motoren bestachen durch Standfestigkeit und rund 250 PS Leistung. Diese Merkmale und vor allem ein dreifacher Le Mans-Sieg in den Jahren 1955 bis 1957 verhalfen den glorreichen britischen Rennwagen zu einem prominenten Platz in den Annalen der weltweiten Sportwagengeschichte. Höchste Zeit, den Jaguar D-Type mit einem Classic Driver-Brevier en detail zu porträtieren.

In unserem letzen Klassiker haben wir Ihnen den Monteverdi Hai nahe gebracht und dabei allerlei wissenswerte Fakten seziert. Bleiben wir an dieser Stelle im weiteren Sinne bei dem „Flossenthema.“ Nein, keine Bange, die Rede soll hier nicht von eher betulichen Mercedes-Heckflossen sein. Unsere thematische Reise führt vielmehr auf die Insel: nach England. Dort stoßen wir auf eine Flosse ganz anderes Ausmaßes. Das Le Mans Leitwerk des legendären Jaguar D-Type nimmt eine Sonderstellung im Automobil-Design ein. Das Fahrzeug selbst zählt zu den glorreichen Ikonen der Sportwagenwelt. Eine atemberaubende Form, ein genial robuster Motor und exzellente Fahreigenschaften zeichnen den Jaguar D-Type aus den 1950er Jahren aus.

Ja, ich bekenne: Klassische Jaguar üben eine magische Faszination auf mich aus. Seien es nun die herrlich gezeichneten XK-Modelle, die frühen Flatfloor E-Type Coupés, kernige 3,8 Liter MK2-Limousinen oder auch die wunderbar eleganten XJ-Gleiter. Klassische Jags haben jene Rasse und sportlichen Stil, die keinen anglophil angehauchten Zeitgenossen unberührt lassen. Richtig delikat wird es allerdings, wenn sich das Thema um historische Rennfahrzeuge aus Coventry dreht.

XKD-528: einer von wenigen

Dann nämlich geht es immer auch um die ursprünglichen, die nicht gekreuzten und guten Gene der Marke. Und exakt hierfür steht der Jaguar D-Type. Der kurze offene Rennwagen ist ganz wesentlicher Bestandteil der Jaguar-DNA, eigenwillig in der Form, beeindruckend erfolgreich zu Wettbewerbszeiten und heute extrem rar. Und somit sehr gesucht, wie die jüngste Scottsdale Auktion von Gooding & Company Ende Januar 2010 dokumentierte. Über dem Fahrzeug mit der Chassis-Nummer XKD-528 fiel der Hammer bei 3,74 Millionen US-Dollar.

Das zugeschlagene Fahrzeug verließ am 9. November 1955 die Werkshallen in Coventry, um seine Reise nach Hornburg Jaguar in Kalifornien anzutreten. Dort absolvierte der Wagen in „Cream White“ mit blauem Lederinterieur erste Renneinsätze. Nach weiteren Rennen in Santa Barbara, Pebble Beach und Del Monte Forest absolvierte das „Road & Track“ Magazin einige gemessene Testfahrten mit dem D-Type und protokollierte dabei eine Höchstgeschwindigkeit von knapp über 260 km/h. Den Spurt aus dem Stand auf 100 km/h absolvierte der D-Type danach in nur fünf Sekunden. Und so fiel das Urteil deutlich aus: „Beim Jaguar D-Type handelt es sich um das Fahrzeug mit den besten Leistungswerten.“ Die Eigentümer präparierten XKD-528 für weitere Rennen und errangen Podiumsplätze.

Unter anderem fuhr der Kundenrennwagen Seite an Seite mit den Werksrennfahrzeugen in Sebring. Den großen Erfolg in Form des ersten Platzes errang der Wagen jedoch erst im November 1958 mit Ken Miles am Steuer beim Pomona Sechs-Stunden Rennen. In den Folgejahren wurde der D-Type XKD-528 auf Straßenspezifikation umgerüstet und ihm die ein oder andere Leistungskur verabreicht. Der Motor mit der Nummer E 2035-9 wurde jedoch nie gewechselt. Nach einem Auffahrunfall folgte allerdings die erste Totalrestauration bei Griswold & Company. Und erst vor geraumer Zeit versetzte Cavallo Motorsports, Kalifornien, das Auto zurück in den Originalzustand. Nach einigen Concours-Erfolgen nahm Gooding den D-Type auf die Lotlist der jüngsten Auktion. Mit 3,74 Millionen US-Dollar bestätigte der D-Type das hohe Wertniveau dieses Fahrzeugtyps. Zuletzt versteigerte Bonhams im Juli 2008 den ersten Werks-D-Type (Chassis XKD-509) für 2,2 Millionen Pfund Sterling. Nicht nur unter Wertgesichtspunkten ein beachtliches Investment. Heute sind D-Types gern gesehene Gäste bei Rennveranstaltungen in Laguna Seca oder Goodwood.

D-Type: die Details

Als der hier gezeigte D-Type im November 1958 seinen großen Erfolg errang, hatte das Jaguar-Modell längst Geschichte geschrieben. In einem Hattrick erzielten Jaguar D-Type Rennwagen in den Jahren 1955 bis 1957 eine fulminante Siegserie in Le Mans. Der Jaguar D-Type folgte im Jahr 1954 auf den ebenfalls beeindruckenden Jaguar C-Type. Malcolm Sayer zeichnete das Design des Fahrzeugs. Herzstück des Jaguar D-Type war ein knapp 3,4 Liter messender Reihensechszylinder Motor mit oben liegenden Nockenwellen, der in späteren Jahren auf bis zu 3,8 Liter Hubraum aufgebohrt wurde. Die Leistungsausbeute des äußerst durablen Aggregats lag bei rund 250 PS. Als Schaltzentrale kam ein manuelles 4-Gang Getriebe zum Einsatz. Dunlop Scheibenbremsen hielten den D-Type im Zaum.

So ausgestattet waren die D-Type gut ausbalancierte Fahrzeuge, leicht und schnell. Und sie sind es immer noch. Denn noch heute spielen sie ihre Stärken auf Motorsportveranstaltungen aus. Vor geraumer Zeit begleitete ich einen D-Type auf der Mille Miglia Storica mit einem neuen knapp 300 PS starken Range Rover. Ich hatte alle Mühe trotz großem V8 dem spritzigen Sechszylinder auf den gewundenen Strecken der Emilia Romagna zu folgen. Insgesamt entstanden rund 71 Fahrzeuge. 18 Exemplare wurden den werkseigenen Rennteams zugeführt. Die übrigen 53 D-Types sicherten sich ambitionierte Fahrer und Teams für eigene Rennzwecke. Die Autos wurden häufig in ihren technischen Details modifiziert und bescherten Jaguar reichlich Ruhm und Ehre. Ein letzter Punkt sollte nicht unerwähnt bleiben. Jaguar-Enthusiasten wissen: vom D-Type entstanden einige wenige zivile Ableger in Gestalt des Jaguar XKSS. 16 Fahrzeuge sollen von diesem Straßenrennwagen gefertigt worden sein, als ein Feuer die Produktionswerkzeuge zerstörte. Hollywood-Haudegen Steve McQueen war einer der glücklichen XKSS-Piloten.

Unseren besonders anglophil gesonnenen Lesern empfehlen wir an dieser Stelle einen letzten Spaziergang durch die historischen Jaguar-Hallen der Browns Lane, welche heute bedauerlicherweise nicht mehr existieren. Und auch die Charakterskizze eines geplanten D-Type Nachfolgers, der jedoch nie zu ernsthaften Renneinsätzen kam, ist Pflichtlektüre: unser Brevier über den Jaguar XJ13 von 1966. Tatsächlich, wenn Sie hier ganz genau hinschauen, entdecken Sie auf den Fotos einen weiteren D-Type: den unverkäuflichen Wagen aus dem Jaguar Heritage Trust. Sie tauchen immer wieder auf, die legendären Jaguar D-Type mit der Leitwerk-Flosse.

Check the Jag – die Fakten

Hersteller:
Jaguar, Coventry, UK

Bauzeit:
von 1954 bis 1956

Stückzahlen:
18 Teamrennfahrzeuge, 53 Kundenrennfahrzeuge

Fahrzeugkonzept:
offener Rennwagen

Karosserie:
Aluminiumblech auf Rohrrahmen

Motor:
Sechszylinder Reihenmotor, drei Doppelvergaser

Hubraum:
3,4-Liter Motor, später auch 3,8-Liter Varianten

Leistung:
250 PS (184 kW)

Bremsen:
Dunlop-Scheibenbremsen

Kraftübertragung:
4-Gang manuelles Schaltgetriebe, Hinterradantrieb

Radaufhängung:
Einzelradaufhängung rundum

V-Max:
ca. 260 km/h, abhängig von der gewählten Getriebeübersetzung

Beschleunigung:
von 0 auf 100 km/h in knapp fünf Sekunden