Pocket Rocket
Text: Mathias Paulokat
Fotos: Mathias Paulokat / Mini
Kleiner Wagen, riesiger Erfolg: Der klassische Mini von Sir Alec Issigonis gilt zu Recht als Geniestreich des britischen Fahrzeugbaus. Doch erst als Mini Cooper und Mini Cooper S erhielt er seine sportlichen Weihen. Und was für welche: Drei Gesamtsiege und ein handfester Eklat in Gestalt eines aberkannten vierten Sieges auf der beinharten Rallye Monte Carlo machen den Mini unsterblich. Classic Driver berichtet über Entstehung, Einsätze und Erfolge der legendären Mini Cooper S Flotte aus Abingdon und Longbridge.
Es hätte alles auch ganz anders kommen können. Beschaulich und wenig heldenhaft: Ganz so wie sein Vorgänger, der knuffige Morris Minor, hätte auch der 1959 vorgestellte klassische Mini auf ewig das Image eines niedlichen und praktischen Kleinwagen behalten, wenn da nicht John Cooper gewesen wäre. Denn der Erfinder und Schöpfer des Minis, Sir Alec Issigonis, hielt es bei seinem kleinen Massenmobilisierer strikt mit Winston Churchill: „No sports!“ Tatsächlich sprach sich Issigonis lange Zeit ausdrücklich vehement gegen eine Verwendung des Minis als Renn- oder Rallyefahrzeug aus. Auf die Frage, warum der Mini denn ein so kleines und bescheidenes Automobil geworden sei, entgegnete Issigonis sogar wortwörtlich: „Dieses Fahrzeug haben wir ja nicht entwickelt, um mit ihm die Rallye Monte Carlo zu gewinnen!“
Um so erstaunlicher, welche Erfolge der Mini seit seiner Entwicklung in den späten Fünfzigerjahren erstritt: 1960 begann der große Siegeszug des kleinen Briten. Sechs Fahrzeuge nahmen erstmals an der Rallye Monte Carlo teil und brachten auf Anhieb den Klassensieg heim. Erik Carlsson, Rauno Aaltonen, Paddy Hopkirk, Timo Mäkinen, Paul Easter und Tony Ambrose, um nur einige der großen Mini-Piloten zu nennen, fuhren daraufhin reihenweise auf erste Plätze. Auch Frauen brillierten hinter dem Steuer des schnellen Zwerges. Pat Moss und Pauline Mayman, um nur zwei der zahlreichen Renn-Ladys zu nennen, fuhren mit der „Pocket Rocket“ eifrig auf Erfolgskurs. Der Mini schien auf Sieg abonniert: Ob Tulpen- oder 1000-Seen Rallye, Lüttich-Rom-Lüttich, Tour de France und Alpenrallye, ob München-Wien-Budapest-Marathon, RAC- oder Schottland Rallye – überall errangen Minis Klassen- oder sogar Gesamtsiege.
Der Monte Ansturm von 1962 jedoch endete mit Rauno Aaltonen am Steuer, dem späteren „Rallye-Professor“, in einer Pleite. Nur drei Kilometer vor dem Ziel, schätzte Aaltonen eine Kurve falsch ein und beendete das Rennen mit einem Überschlag. Bis dahin war er Führender des Gesamklassements. Doch bereits im nächsten Jahr, machte Rauno Aaltonen seinen Mißgeschick wett: Im Cooper S fuhr er als Klassensieger und Drittplatzierter des Gesamtklassements über die Ziellinie. Der fulminante Auftakt zu einer einzigartigen Rennkarriere war damit endgültig gesetzt.
Entdecker der Sportlichkeit: John Cooper
Die größten Triumphe gelangen bei der Rallye Monte Carlo Mitte der Sechziger Jahre. Insgesamt dreimal errangen Mini Cooper Modelle bis 1967 den Gesamtsieg, 1964 zum ersten Mal, erkämpft von Hopkirk und Liddon. 1965 gewann der Finne Timo Mäkinen. Nur 35 von 237 gestarteten Autos kamen bei dieser brutalen Rallye durch Schnee und Eisesglätte ins Ziel – darunter drei Mini Cooper S. Das Jahr 1966 sollte den Hattrick bringen. Timo Mäkinen, Rauno Aaltonen und Paddy Hopkirk fuhren auf den Plätzen eins bis drei in Monte Carlo vor. Was jedoch folgte, war ein Eklat: Der neuerliche Gesamtsieg wurde aberkannt – angeblich wegen nicht Reglement-konformer Scheinwerfer und einer um 3,5 mm zu breiten Radspur bei einem der gestarteten Mini Cooper S. Vermutlich aber dürfte die ungebrochene Überlegenheit der Minis über mondäne Gentlemen-Racer vom Schlage eines Aston Martin DB4 oder Jaguar Mk VII den Ausschlag gegeben haben.
Der Mythos „Monte-Mini“ jedoch war somit endgültig geboren, der Wagen hatte fortan einen festen Garagenplatz auf dem automobilen Olymp, zumal sich Aaltonen 1967 mit einem regelkonformen Gesamtsieg auf einem Mini Cooper S revanchierte. - Was für ein Asset für die Mini-Markenstrategen von heute: Auf diesem beinahe unglaublichen Mythos satteln denn auch die aktuellen Cooper Modelle unverdrossen auf.
Dabei erkannte und weckte erst der britische Ex-Rennfahrer und Automobilkonstrukteur John Cooper das durchschlagende sportliche Potential des Mini. Tatsächlich ist kein Name heute mit dem Rennsport-Mythos des Mini so eng verknüpft wie der von John Cooper. Lange bevor Issigonis den Mini entwickelte, pflegte dieser bereits eine Freundschaft mit dem 1923 in Surrey geborenen Cooper. Der gründete 1946 mit seinem Vater die Cooper Car Company, die sich ganz auf die Entwicklung von Rennwagen konzentrierte – zunächst für die Formel 3, später auch für die Formel 1. Er gilt als Begründer des Mittelmotor-Konzepts in der Königsklasse des Motorsports. John Cooper war vom Mini fasziniert. Das tragende Prinzip „Ein-Rad-an-jeder Ecke“, die kurzen Karosserie-Überhänge, das geringe Gewicht, hohe Agilität und Wendigkeit sowie die kompakte Gesamterscheinung machten den Mini zu dem Fahrzeug, nach dem John Cooper lange zuvor gesucht hatte.
Technik auf kleinstem Raum
„Ein Auto, das innen größer ist als außen“, versprach damals die Mini-Werbung. Tatsächlich bot der kompakte Fronttriebler, der unter den Marken Austin und Morris von der British Motor Corporation (BMC) vertrieben wurde, erstaunliche Ladekapazitäten. Die an den Ecken stehenden Räder machten den Wagen überaus wendig und stadttauglich. Über alle Jahrzehnte seines Bestehens ist der klassische Mini optisch praktisch unverändert geblieben. Lediglich Radgröße, Türscharniere, Heckleuchten und Kühlergrill variierten bei den verschiedenen Serien am Exterieur. Motortechnisch hingegen erhielt der Mini eine Leistungskur nach der anderen. Zunächst gab es einen 803 ccm, dann einen 868 ccm Motor, unter John Cooper entstand die erste Cooper Variante mit 55 PS und 997 ccm Hubraum, versorgt von einem Doppelvergaser des Austin Healey Sprite, der ebenfalls den Zylinderkopf spendierte. 1963 folgte eine Hubraumerweiterung um 1 ccm und nur Monate später rollte der 70 PS starke und über 140 km/h schnelle Mini Cooper S mit 1.071 ccm Hubraum in die Autohäuser.
Erst ab 1964 kam der bis heute kernigste Cooper S auf den Markt. Insbesondere die Variante mit 1.275 ccm Hubraum und einer Leistung von 76 PS begeisterte und erstritt große Erfolge. Knapp 160 km/h schnell war dieser Mini. Technisch gab es unverändert den Vorderradantrieb, Dreieckslenker an der Frontachse, Längslenker hinten, Scheiben- vorne und Trommelbremsen am Heck. Die Bremskraft erhielt Verstärkung durch ein Servogerät. Bis dahin entdeckten auch zahlreiche Tuner den Mini und machten ihn flott: Alexander Tuning beispielsweise bot einen an die 170 km/h schnellen Typ 1122 Mini an.
Länge läuft, Kürze rennt
Und wie fährt sich der Kleine heute? Immer noch grandios. Vorausgesetzt, man ist nicht über 1,80 Meter groß oder hat alternativ eine Sitzschienenverlängerung eingebaut. Dann aber geht es spritzig voran. Wunderbar willig hängt der quer eingebaute Vierzylinder am Gas und schnurrt nur so durch die Drehzahlgefilde. Wichtige Regel dabei: Aufgrund ihrer Langhubigkeit wollen die Motoren gut warm gefahren werden, bevor man sie über die 3.000er Gipfel hinaus dreht. Dieses Anwärmen dauert eine Weile, da der große kombinierte Ölkreislauf von Motor und Getriebe reichlich Liter Schmierstoff aufnimmt, die erst einmal in Wallung kommen müssen. Also ruhig Blut, zehn bis zwanzig Kilometer Fahrstrecke sollte man es „piano“ angehen.
Dann aber darf man das Gaspedal durchtreten und reichlich in der Viergang-Box schalten. Besonders das schnelle Kurvenfahren und Hochziehen im zweiten Gang an den Ausgängen macht mächtig Laune. In die Kurven lenkt der Mini direkt ein, schiebt bei zuviel Tempo gut kontrollierbar über die Vorderräder. Das Lenkrad steht aufrecht im Raum und verlangt nach beherztem Griff. Wer mit dem Heck spielen möchte, nimmt die Handbremse hinzu. Dann schlägt der Mini Haken und ist wendig wie kein zweites Auto. Richtig auf Touren rennt der Mini wie ein Teufel.
Classic Driver Tipp: Wer einen klassischen Mini sein eigen nennt, sollte auf penible Einhaltung der Ölwechselintervalle achten. Da das Getriebe in der Ölwanne des Motors läuft, wirken auf den Schmierstoff enorme Scherkräfte ein. Deswegen sollte spezielles 20W-50 Öl mit langkettigen Polymeren zum Einsatz kommen, welches eine hohe Schmierwirkung hat. Spätestens alle 5.000 Kilometer oder einmal im Jahr sollte das Motoröl samt Filter gewechselt werden, bei sportlicher Fahrweise auch schon nach deutlich weniger Kilometern. Und wie kommt man an einen klassischen Cooper S? Immer wieder tauchen schöne Exemplare der Rallye-Legende im Classic Driver Automarkt auf. Auch die einschlägigen Auktionshäuser bieten klassische Cooper S an – teilweise sehr authentische Fahrzeuge mit belegbarer Rennhistorie, teilweise auch Umbauten, die den ruhmreichen Vorbildern nachempfunden sind.