Eine Klasse für sich
Text: Mathias Paulokat
Fotos: AMG, Mathias Paulokat
Mercedes maximal: die Leistungselite mit Stern kommt aus der Spezialitätenschmiede AMG. Und das seit 40 Jahren. Neben Porsche und BMW M-Fahrzeugen zählen Mercedes-AMG Modelle zum traditionsreichen Dreigestirn des deutschen Sportwagenbaus. Classic Driver präsentiert anlässlich des Firmenjubiläums von AMG ausgewählte Rennfahrzeuge der Marke und ihre Erfolge. Eine automobile Reise durch Zeit und Raum.
Die Geschichte von Mercedes-AMG begann vor 40 Jahren in einer schwäbischen Hinterhofwerkstatt. Die Marke mit den drei Buchstaben entwickelte sich schnell vom Insider-Tipp für Leistungssteigerungen von Mercedes-Fahrzeugen, über den Status des offiziellen Kooperationspartners der Daimler-Benz AG zur legitimen Sportwagenschmiede der Stuttgarter Sternwagen. Im Motorsport liegen die stärksten Wurzeln von AMG. Classic Driver ruft die wichtigsten Boliden vom Race-Track per Klassiker-Brevier zurück in die Erinnerung.
Am 1. Juni 1967 gründeten Hans Werner Aufrecht (A) und sein Partner Erhard Melcher (M) das Unternehmen AMG; von Aufrechts Geburtsort Großaspach (G) stammt der dritte Buchstabe im Firmennamen. Offizielle Bezeichnung des Zweimannbetriebs: „Ingenieursbüro, Konstruktion und Versuch zur Entwicklung von Rennmotoren“. Aufrecht und Melcher hatten in einer alten Mühle in Burgstall bei Affalterbach Großes im Sinn - buchstäblich: In den ersten Jahren beschäftigten sie sich mit dem Aufbau von Rennwagen auf Basis des Mercedes-Benz 300 SE – früher Vorläufer der S-Klasse - und der Teilnahme an europäischen Tourenwagenrennen.
Bereits 1971 gelang mit einem Mercedes-Benz 300 SEL 6.8 AMG beim 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa der überraschende Durchbruch: zweiter Platz im Gesamtklassement und Klassensieg. Es folgten große Erfolge auf den unterschiedlichsten Bühnen des Motorsports: So konnte AMG in der DTM fünfmal die Teamwertung einfahren. Bernd Schneider, Gary Paffett und Klaus Ludwig holten insgesamt acht DTM-Titel, Schneider zusätzlich den Titel in der ITC (International Touring Car Championship). In der FIA-GT-Meisterschaft gelang dem Team mit Bernd Schneider und dem CLK-GTR 1997 auf Anhieb der Gewinn des Fahrertitels, ein Jahr später wiederholten Klaus Ludwig und Ricardo Zonta diesen Erfolg und holten zusätzlich den Konstrukteurstitel – der CLK-GTR war bei allen elf Saison-Rennen siegreich.
Sternenkreuzer: 300 SEL 6.8 AMG
Dieses Fahrzeug begründete den Mythos der Marke AMG. Als technische Basis für den schnellen AMG Rennwagen diente der Mercedes-Benz 300 SEL 6.3, das seinerzeit schnellste deutsche Serienauto. Mit seinem V8-Motor, der eine Leistung von 184 kW bzw. 250 PS und ein maximales Drehmoment von 51 mkg erzeugte, galt die Luxuslimousine als Sportwagen-Schreck. AMG brachte den großen Achtzylinder durch zahlreiche Modifizierungen wie die Hubraumerweiterung auf 6,8 Liter, „schärfere“ Nockenwellen, größere Einlassventile, geänderte Kipphebel und Kolben auf stattliche 428 PS (315 kW). Das Drehmoment stieg auf 62 mkg. Damit war eine Höchstgeschwindigkeit von 265 km/h möglich, die Serien-Limousine schaffte immerhin 221 km/h.
Pilotiert von Hans Heyer und Clemens Schickentanz, trat die rot lackierte Limousine 1971 beim renommierten Langstreckenklassiker, dem 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps, in den belgischen Ardennen gegen die arrivierte Konkurrenz von Alfa Romeo, BMW, Chevrolet, Ford und Opel an. Was niemand für möglich hielt: Gleich bei seinem ersten Einsatz überquerte der 6.8 AMG als Zweiter die Ziellinie und gewann seine Klasse. Weitere Erfolge blieben dem Rennwagen jedoch verwehrt. Der Grund: eine Änderung des Reglements, das im Tourenwagen-Europapokal ab 1972 ein Hubraumlimit von maximal 5,0 Litern vorsah – zu wenig für den großvolumigen Saugmotor.
Unser Lesetipp: Classic Driver ging vor geraumer Zeit mit einem ähnlichen Fahrzeugunikat, dem Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 (6.9) Tourenwagen auf den Rundkurs: entfesselte Kraft! – Es gab jedoch auch eine zivile AMG-Version des regulären 6.3. Dieser Wagen brachte es in drei Ausbaustufen auf immerhin bis zu 235 kW bzw. 320 PS. Der Hubraum von 6289 cm3 blieb dabei unverändert. Dieser Wagen beschleunigte in nur 6,7 Sekunden von null auf 100 km/h und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h.
Nachbrenner: 450 SLC AMG
Anders als die Daimler-Benz AG, die den Mercedes-Benz SLC in der Rallye-Weltmeisterschaft einsetzte, baute AMG ein Renncoupé für die Rundstrecke auf. Aufrecht wollte mit dem SLC Erfolge in der Tourenwagen-EM gegen Jaguar und Alpina-BMW einfahren. Gemäß Gruppe-2-Reglement musste das Coupé auf 1225 Kilogramm abspecken – ursprünglich wog ein serienmäßiger 450 SLC rund 1690 Kilogramm. Dem ehemals 160 kW bzw. 217 PS starken V8-Motor mit 4520 Kubikzentimeter Hubraum entlockte AMG 276 kW entsprechend 375 PS; die Nenndrehzahl stieg von beschaulichen 5.000 auf 6.550/min. Prinzipiell unverändert blieb das robuste Dreigang-Automatikgetriebe, da das gewünschte Fünfgang-Schaltgetriebe keine Homologation hatte.
Das AMG-Renncoupé wurde erst knapp vor dem ersten Saisonlauf der Tourenwagen-EM im italienischen Monza 1978 fertig. Doch die Fahrer Heyer und Schickentanz konnten sich auf Anhieb einen beachtlichen fünften Startplatz sichern, obwohl Bremsen und Kraftübertragung noch etliches Verbesserungspotenzial besaßen.
Am Ende des Vier-Stunden-Rennens belegte das Team sogar den dritten Platz, mit dem gleichen Ergebnis endete das Rennen auf dem Salzburgring. 1980 schließlich kam der 450 SLC AMG beim Debütrennen in Monza als Zweiter ins Ziel. Beim Großen Preis der Tourenwagen-Europameisterschaft auf dem Nürburgring gelang dem Fahrerteam Schickentanz/Denzel der von Hans Werner Aufrecht lang ersehnte Sieg – beim zugleich letzten Rennen des 450 SLC AMG.
Raumgleiter: 500 SEC AMG
Dem 1986 vollzogenen Einstieg von AMG in die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft DTM folgte drei Jahre später der erneute Versuch im Langstreckenwettbewerb. Als Fahrzeug wurde der 500 SEC ausgewählt – das große Mercedes-Coupé der S-Klasse mit Fünfliter-Achtzylindermotor. Dieser Typ war ursprünglich sogar als DTM-Renner im Gespräch – doch reglementbedingt bekam der 190 E den Vorzug. Nach grundlegender Überarbeitung entwickelte das ehemals 180 kW bzw. 245 PS starke V8-Triebwerk im Renntrimm satte 460 PS, entsprechend 338 kW. Ein Fünfgang-Schaltgetriebe ersetzte nun die serienmäßige Vierstufen-Automatik. Das Luxuscoupé wurde entsprechend seinem Homologationsgewicht von 1660 auf 1340 Kilogramm erleichtert. Nur zwei Fahrzeuge wurden aufgebaut und 1989 beim 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps an den Start gebracht.
Nach guten Trainingsergebnissen und etlichen Führungskilometern des von Klaus Ludwig pilotierten 500 SEC AMG mit der Startnummer 5 folgte nach gut zwölf Stunden der Ausfall durch technischen Defekt. Ein zweiter Renneinsatz auf dem Nürburgring musste ebenfalls vorzeitig beendet werden, und so konzentrierte sich AMG ganz auf seine motorsportlichen Aktivitäten in der DTM mit dem 190 E.
Zeitmaschine: AMG Mercedes 190 E
1984 startete die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft in ihre erste Saison. Daimler-Benz engagierte sich erst zwei Jahre später und auch nicht offiziell: 1986 traten zwei Privatteams mit dem neuen Mercedes-Benz 190 E 2.3-16 an – eines davon trug die drei Buchstaben AMG. Bereits 1986 gelang AMG Fahrer Volker Weidler auf Mercedes 190 E der Gewinn der DTM-Vizemeisterschaft. 1988 kehrte Daimler-Benz – 33 Jahre nach dem werksseitigen Rückzug aus dem Motorsport – offiziell auf die Rennstrecke zurück und unterstützte fünf Privatteams, die insgesamt 14 Renntourenwagen vom Typ 190 E 2.3-16 an den Start brachten. Der Vierzylinder-Vierventilmotor leistete zu Beginn seiner Karriere knapp 300 PS; AMG baute alle Triebwerke für die anderen werksunterstützten Teams auf. Sechs Siege sicherten sich die Sternwagen in der Rennsaison 1988, vier davon feierte AMG-Fahrer Johnny Cecotto. Zu den potentesten Rivalen der heiß gemachten 190er zählten lange Zeit die sehr erfolgreichen BMW M3-Modelle.
1989 präsentierte AMG den weiterentwickelten 190 E 2.5-16 Evolution I mit nun 340 PS. Acht Siege der Fahrer Klaus Ludwig, Roland Asch und Kurt Thiim standen am Ende der Saison auf dem Konto. 1990 übernahm AMG alle Entwicklungsaktivitäten von Daimler-Benz; in dieser Saison kam der auf 375 PS erstarkte 190 E 2.5-16 Evolution II zum Einsatz. AMG gelang mit Kurt Thiim und Klaus Ludwig der Hattrick: Die ersten drei Saisonrennen gewannen die Affalterbacher. In der Saison 1991 errang AMG die Teamwertung, Mercedes-Benz die Markenwertung und Klaus Ludwig verpasste den DTM-Titel beim Finallauf auf dem Hockenheimring nur knapp.
1989 präsentierte AMG den weiterentwickelten 190 E 2.5-16 Evolution I mit nun 340 PS. Acht Siege der Fahrer Klaus Ludwig, Roland Asch und Kurt Thiim standen am Ende der Saison auf dem Konto. 1990 übernahm AMG alle Entwicklungsaktivitäten von Daimler-Benz; in dieser Saison kam der auf 375 PS erstarkte 190 E 2.5-16 Evolution II zum Einsatz. AMG gelang mit Kurt Thiim und Klaus Ludwig der Hattrick: Die ersten drei Saisonrennen gewannen die Affalterbacher. In der Saison 1991 errang AMG die Teamwertung, Mercedes-Benz die Markenwertung und Klaus Ludwig verpasste den DTM-Titel beim Finallauf auf dem Hockenheimring nur knapp.
Ein Jahr später jedoch dominierten AMG und Mercedes-Benz die DTM-Szene: Von 24 Rennen endeten 16 auf dem ersten Platz. Auf dem Hockenheimring gelang Ellen Lohr als erste und bisher einzige Frau ein DTM-Sieg. Diesmal sichert sich Mercedes neben der Team- und der Markenwertung auch den Fahrertitel. Klaus Ludwig auf AMG Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II wurde DTM-Champion. Und 1993, im letzten Jahr seines Werks-Einsatzes, fuhr der 190 E trotz motorischer Unterlegenheit gegen die leistungsstärkeren Alfa Romeo mit V6-Triebwerk bei acht Rennen als erster durchs Ziel, Roland Asch wurde Vizemeister. Somit fand sich bei 52 DTM-Rennen in den Jahren 1986 bis 1993 der Mercedes-Benz 190 E auf Platz eins in den Siegerlisten. Der ehemals „Baby-Benz“ gerufene 190er bewies damit vortrefflich große Qualitäten auf der Umlaufbahn der Rennstrecke. Entsprechend begehrt sind heute die Renn- wie auch die zivilen Versionen der Evolution-Modelle.
Aktuell im Angebot bei Classic Driver:
Mercedes-Benz 190er EVO II