Eigentlich gehört zu einem vorweihnachtlichen Familientreffen ja eine winterlich-verschneite Kulisse. Doch in England lässt sich das Wetter leider nicht in’s Geschäft hereinreden – und so mussten wir beim großen Get-Together der Jaguar-Sportler auf dem Goodwood Circuit mit einem ordentlichen Regenguss vorliebnehmen. Sei’s drum – die Stimmung konnte das Schmuddelwetter nicht vermiesen. Denn Jaguar blickt auf ein spannendes Jahr zurück: Erstmals hat sich die Marke aus Coventry mit einem eigenen Klassik-Team im europäischen Rennsport zurück gemeldet. Dabei kamen natürlich große Erinnerungen hoch. An die großen Erfolge beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans zum Beispiel, wo sich Jaguar in den 1950er Jahren gleich fünf Mal den Gesamtsieg holen konnte – und damit auch als Marke international bekannt wurde.
Ihren Anfang nahm die Geschichte mit dem legendären Jaguar C-Type – damals noch unter dem Namen XK-120C mit einem „C“ für „Competition“ bekannt. Auf die Siege des C-Type von 1951 und 1953 folgten die drei Triumphe des D-Type ab 1955. Man kann sagen, der Circuit de la Sarthe war damals fest in englischer Hand. Und Le Mans war nur das bekannteste „Schlachtfeld“. Überall in der Welt zeigten die schnellen und charismatischen englischen Rennwagen ihre Zähne. Anfang der 1960er Jahre kam dann der Jaguar E-Type Lightweight im Rahmen eines halboffiziellen Rennprogramms an den Start – bis heute gilt der Wagen als erste Wahl für viele historische Racing Events.
Maßgeblich beteiligt an der Neuauflage des Jaguar-Rennteams in diesem Jahr war der Classic-Driver-Händler JD Classics. Und so waren es auch „Der Gouverneur“ Derek Hood und die beiden Top-Fahrer Alex Buncombe und Will Arif aus dem Umfeld von JD Classics, die für das Familientreffen in Goodwood die Gäste aussuchten. Puritanische, bis zu 60 Jahre alte Rennwagen auf einer nassen Strecke zu bewegen, erfordert eine gewisse Routine – und so stand es den geladenen Journalisten frei, als Beifahrer einen Profi zu begleiten oder das Steuer selbst in die Hand zu nehmen. Um selbst ein Gefühl für die Strecke zu bekommen, entschied ich mich für die zweite Variante und Alex Buncombes siegreichen Jaguar E-Type Competition Roadster. Warum ausgerechnet den E-Type? Nun ja, er hat zunächst einmal ein Hardtop – bei sintflutartigen Regenfällen ein schlagendes Argument!
Einmal durch die winzige Tür und den Sicherheitskäfig des Renn-E-Types gezwängt, nimmt man hinter dem großen Holz-und-Aluminium-Lenkrad eine nahezu perfekte Fahrposition ein. Neben mir auf dem Beifahrersitz hatte Wil Arif Platz genommen – bei derartigen Wetterverhältnissen ist es hilfreich, ein zweites Paar Augen an Bord zu haben, um tiefe Pfützen frühzeitig zu erkennen und die richtigen Lenk- und Bremspunkte zu finden. Als erfahrener Pilot konnte Arif mir natürlich auch wertvolle Tipps geben, wie ich den leistungsstarken Rennwagen am besten zu bewegen hatte. Also schnell den Startknopf gedrückt, sich über das Bellen des hochgezüchteten Reihensechszylinders gefreut und durch die wild rudernden Scheibenwischer versucht, den Ausgang der Boxengasse zu finden.
Überraschenderweise überkam mich schon nach den ersten Kurven das beruhigende Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Die Renntechnik des E-Type ist wirklich bis ins Detail genau abgestimmt – und auch die von JD Classic relativ niedrig gesetzte Drehzahlbegrenzung machte es fast unmöglich, den Wagen aus der Balance zu bringen. Auf einem trockenen Rennkurs und mit weiteren 1.250 Umdrehungen Spielraum – das war dennoch zu spüren – hätte man den metallicgrünen, mehr als 350 PS starken Roadster sicherlich zum Fliegen bringen können. Auch die Lenkung, in die das Team laut Derek Hood viel Zeit investiert hat, muss positiv erwähnt werden: Super direkt ausgelegt und leichtgängig, aber so präzise eingestellt, dass man lange Geraden wie auf Schienen nimmt, ist sie auch bei Langstreckenrennen die perfekte Schnittstelle zwischen Mann und Maschine.
Leider ging es nach einem Dutzend Runden schon wieder zurück in die Boxengasse. Doch der Tag war noch nicht zuende: Gerade hatte ich mich aus den Renngurten des E-Type geschält, saß ich schon wieder neben Will Arif – allerdings als Beifahrer im bronzefarbenen C-Type. Der ehemalige Fangio-Rennwagen war im Laufe des Jahres exzessiv im Einsatz – und hat meist auch gewonnen oder zumindest eine gute Platzierung belegt. Ein Erfolg, der natürlich auch auf das Konto der Fahrer geht: Arif ist ein Meister der sanften Beschleunigung. Gleichzeitig brachte er es bei unserer gemeinsamen Fahrt fertig, jedes kleinste Fitzelchen an Grip zu nutzen, um die maximale Geschwindigkeit herauszuholen. Im Vergleich zu meinen Anstrengungen am Steuer des E-Type spielt Arif natürlich in einer anderen Liga.
Allzu gerne hätte ich noch den Jaguar D-Type als „Missing Link“ zwischen C- und E-Type ausprobiert – oder mit dem brandneuen F-Type eine Einstimmungsrunde gedreht. Doch wie bei jedem Familienfest muss man Prioritäten setzen. Und so freuen wir uns auf das nächste Treffen der Jaguar-Generationen.
Fotos: Jaguar