Das klingt gut! Der neue Porsche 911 Carrera bietet nicht nur Fahrspaß und Performance, sondern begleitende Fahrzeugakustik vom Allerfeinsten. Die Sound-Ingenieure aus Weissach haben ganze Arbeit geleistet - wie auch unsere Hörprobe verrät. Classic Driver erklärt den Klangkörper 911.
Unverkennbar: So klingt Porsche! Vier lange Jahre haben die Ingenieure um Dr. Bernhard Pfäfflin, Leiter für Schwingungstechnik und Aktustik in Weissach, geforscht und getüftelt, um mit dem neuen Porsche Carrera auch ein besonderes Hörerlebnis zu schaffen. Denn in einer Zeit, die von allseitiger Reizüberflutung geprägt ist, repräsentieren eindeutige Eigenschaften gerade auch im Automobilsektor den jeweiligen Markenkern. Dies gilt für Fahrzeugdesign, für Leistungscharakteristik, für Haptik der gewählten Materialien, für Verarbeitungsqualität genauso wie für den Klang eines Fahrzeugs.
Porsche 911 Carrera / Starting Engine by classicdriver
Und ganz besonders gilt dies bei Sportwagen, denn sie bieten die wohl emotionalste Art der automobilen Fortbewegung. Geprägt werden diese Emotionen hier auch durch das Feedback des Fahrzeugs von der Straße zum Fahrer, durch die Schaltvorgänge, das Hochdrehen des Motors, wirkende Kräfte und eben: den Sound. Fahrspaß als Ergebnis aller Eindrücke kommt dann auf, wenn diese Faktoren beim Fahrer elebbar ankommen. Ein kerniger Sound ist hierbei die Schlüsselbotschaft. Die Stimme des Porsche 911 ist seit Generationen unverkennbar. Das kehlig dichte Röhren macht das typische Timbre aus. „Die Gene dafür stecken im Konzept des Sechszylinder-Boxermotors und seiner typischen Laufgeräusche“, erläutert Pfäfflin, „der jeweilige Charakter indes wird durch Leistungsstärke und Drehfreudigkeit geprägt. Beim 911 spielt sich alles im Fahrzeugheck ab. Hier entstehen sowohl die Geräusche der Motormechanik als auch die von Saug- und Abgasanlage.“
Porsche 991 Carrera S / Starting Engine by classicdriver
Das Verständnis dieses komplexen Wirkens ist entscheidend, um es gestalten zu können. Denn jede Quelle liefert einen Beitrag mit unterschiedlichen Botschaften. Dr. Bernhard Pfäfflin erklärt: „Die mechanische Motorgeräusche sind durch eher hohe Frequenzen geprägt und haben tonale Anteile. Diese senden Botschaften wie Qualität, Zuverlässigkeit und - ganz wichtig - Drehfreude. Die Ansauggeräusche sind dagegen eher tieffrequent und abhängig von der geforderten Leistung. Gibt der Fahrer Gas, verändern sich Lautstärke über Last und Drehzahl, vermitteln dadurch Dynamik und geben dem Fahrer ein Feedback zum Betriebszustand.“ Das gleiche gelt für die Abgasgeräusche, die ebenfalls in Zusammenhang mit der Leistungsentfaltung stehen. „Ein wesentlicher Unterschied dabei: Die Ansauggeräusche sind eher leiser und liefern einen Beitrag ins Fahrzeug, während die Abgasgeräusche innen und außen wahrgenommen werden.“
Porsche 991 Carrera S Sport / Starting Engine by classicdriver
Die Grundlage der Soundabstimmung des neuen 911 fand bereits in der frühen Konzeptphase statt. Die Anordnung und Dimensionierung der Krümmer, Rohre, Katalysatoren und der Schalldämpfer wurde, noch bevor es Hardware gab, mit einem Berechnungsmodell abgebildet und bewertet. „Erst nachdem wir viele Varianten am Rechner simuliert hatten, entstanden Prototypen, die am Prüfstand und am Fahrzeug bewertet und hier in Weissach final abgestimmt wurden“, so Pfäfflin. Eine besondere Herausforderung lag in der breiten Spreizung der Sound-Anforderungen in verschiedenen Betriebszuständen: Leerlaufphase, im Alltagsverkehr, beim komfortablen Reisen, bei dynamischer Fahrt in den Bergen und bei sportlicher Gangart auf der Rundstrecke. „Die Ergebnisse der Berechnungen und die Erfahrungen aus den Vorgängermodellen haben gezeigt, dass die große Spreizung m it einer schaltbaren Gasführung besonders gut umsetzbar ist. Deshalb verfügt der neue 911 Carerra S serienmäßig über eine Abgasanlage mit gesteuerten Klappen. Auf Wunsch ist darüber hinaus eine Sportabgasanlage lieferbar, die noch kernigeren Sound mit einem gesteigerten Leistungsvermögen verbindet.“
Porsche 911 Carrera / Driving Sequence by classicdriver
Alle Klangquellen sind hierbei aufeinander abgestimmt. Die Pulsation der Ansaugluft reflektiert direkt die bereitgestellte Leistung. Der Schallpegel hängt hingegen hauptsächlich von der abgegebenen Leistung ab. Mechanische Motorgeräusche nehmen naturgemäß mit steigender Motordrehzahl zu. Im Porsche sind alle Geräusche echt und unverfälscht. Es werden ausdrücklich keine Geräusche künstlich beigemischt. Allerdings entwickelten die Ingenieure einen sogenannten Sound Symposer, der serienmäßig im Carrera enthalten ist. „Der Sound Symposer ist ein passives System und verstärkt den Klang des Boxermotors und leitet ihn auf Knopfdruck in den Innenraum“, sagt Entwicklungsleiter Pfäfflin. - Wie funktioniert das nun genau?
„Ein Akustikkanal greift die Ansaugschwingungen zwischen Drosselklappe und Luftfilter ab. In dem Akustikkanal ist eine gasdichte Membran integriert, welche die Schwingungen verstärkt und sie als Motorsound im Bereich der Hutablage in den Innenraum überträgt. Über eine steuerbare Klappe, die sich vor der Membran befindet, lässt sich der Sound Symposer über die Sport-Taste je nach Fahrerwunsch aktivieren oder deaktivieren.“ Doch damit nicht genug. Ein schaltbarer Helmholtz-Resonator dämpft unerwünschte Überhöhungen im Drehzahlbereich um 5.000 Touren. Ein Fenster im Luftfiltergehäuse sorgt dafür, dass auch bei deaktiviertem Sound Symposer das Grundansauggeräusch präzise zu hören ist.
Porsche 911 Carrera S Sport / Driving Sequence by classicdriver
Die Ideen der Ingenieure greifen aber noch weiter. So werden beim Gangwechsel Zug-Hochschaltungen durch Zylinderausblendung stark unterstützt. Durch dieses Aussetzen der Verbrennung wird ein schnellstmöglicher Drehzahlabfall auf das Niveau des neuen Ganges erreicht. Hierdurch entsteht die für ein Rennfahrzeug typische Abgasakustik am Endrohr. Stärkere Zwischengasstöße im Sport-Modus führen bei geöffneter Abgasklappe zu beinahe rennähnlicher Atmosphäre. „Auch die Gasannahme des Motors - das Ansprechverhalten - ist neu abgestimmt. Im Normal-Modus spricht der Motors direkt und komfortabel auf die Gaspedaländerungen des Fahrers an. Im Sport-Modus wird die Gasannahme nochmals verkürzt, um ein noch direkteres Fahrgefühl zu vermitteln“, so Pfäfflin. Beim Gaswegnehmen sorge die Verstellung der Zündung in Richtung spät für eine unmittelbare Verzögerung durch den Motor. „Dabei stellt sich insbesondere bei geöffneten Klappen der Abgasanlage ein charakterstarkes Blubbern des Motors ein. Bei höheren Drehzahlen wird die Gaswegnahme sogar durch ein kurzes Backfire akustisch hervorgehoben.“ Letztlich ist es wie bei einem Orchester: Es klingt gut, wenn alles harmoniert. Beim neuen Porsche 911 beherrschen die sechs Solisten auf der Bühne im Heck ihre Partitur. Furios.
Text: Mathias Paulokat
Fotos: Porsche / Frank Ratering