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Interview: Adrian van Hooydonk, Director Design BMW Cars

Seit 2004 ist der Niederländer Adrian van Hooydonk Chefdesigner für den Bereich Automobile bei BMW. Für den Konzern ist van Hooydonk bereits seit 1992 in verschiedenen Positionen tätig, unter anderem auch als Präsident der BMW-Tochter DesignWorks USA. Classic Driver bat den 44-jährigen gelernten Industriedesigner im Rahmen der Präsentation des neuen BMW 7er in der BMW-Welt zu einem Gespräch.

Classic Driver: Guten Tag Herr van Hooydonk.

Adrian van Hooydonk: Hallo.

Classic Driver: Herr van Hooydonk, welche Beziehung haben Sie zu Stühlen?

Adrian van Hooydonk: (lacht) Also, Stühle sind für mich - neben Autos - etwas, für das ich mich sehr interessiere. Ich habe ursprünglich in Holland Industriedesign studiert und habe sowohl dort als auch in Italien als Industriedesigner gearbeitet. Für einen Industriedesigner ist ein Stuhl eine große Herausforderung. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – es schon sehr viele von ihnen gibt. Also ja, für Stühle habe ich noch immer eine Affinität. Aber in den letzten 15 Jahren habe ich mich schon sehr auf das Automobildesign konzentriert.

Classic Driver: Ich habe diese Frage deshalb gestellt, weil Sie einen eigenen Stuhl entworfen haben. Ist das richtig?

Adrian van Hooydonk: Ja, ich habe während der Zeit, die ich in unserem Studio in Kalifornien verbrachte, einen Stuhl für den DesignWorks-Kunden Emecos entworfen. Er wird aus einer Kombination aus Aluminium und Kunststoff gefertigt. Wie ich bei meinem diesjährigen Besuch der Mailänder Möbelmesse gehört habe, verkauft er sich sehr gut – allerdings im Objektbereich, also zur Ausstattung großer Gebäude, Kantinen und solchen Sachen.

Classic Driver: Aluminium-Kunststoff-Gemisch ist ein gutes Stichwort, denn wie wir im Rahmen der Präsentation des 7ers hören konnten, ist das neue Modell auch eine Mischkalkulation aus Werkstoffen. Was ist neu an diesem Umgang mit Werkstoffen?

Adrian van Hooydonk: Als Designer wollen wir immer gerne, dass wir unsere entworfene Form umsetzen können. Dabei hilft uns eine bestimmte Auswahl an Materialen. Unsere Ingenieure dagegen sind natürlich wahnsinnig daran interessiert, die Gewichtsverteilung eines BMW perfekt hinzukriegen: das heißt 50% auf der Vorder- und 50% auf der Hinterachse. Hinzu kommt natürlich, dass in der heutigen Zeit ein niedriges Gesamtgewicht enorm wichtig ist. Der neue 7er beispielsweise ist etwas größer als das Vorgängermodell, allerdings auch deutlich leichter. Dies wurde durch die Verwendung von sehr viel Aluminium möglich. Die Türen, die vorderen Kotflügel, die Haube und sogar das Dach sind aus Aluminium gefertigt. Der Seitenrahmen hingegen ist aus Stahl. Diese Verbundbauweise aus Stahl und Aluminium-Komponenten herzustellen, ist eine schwierige Angelegenheit, aber unsere Techniker können das und können auf diese Weise sowohl den Ansprüchen der Designer als auch denen der Igenieure gerecht werden.

Classic Driver: Wie muss man sich den Weg vom Beschluss „wir brauchen einen neuen 7er“ bis hin zur Fertigung des Serienmodells vorstellen?

Adrian van Hooydonk: Etwa drei Jahre vor Beginn eines Serienanlaufes für ein neues Produkt beginnt der Entwicklungsprozess. Ein Teil dieses Prozesses ist das Briefing für die Designabteilung. Dieses Briefing ist zwar relativ knapp formuliert, allerdings bei weitem nicht so leicht zu erfüllen, wie es klingen mag: „Bitte macht ein Auto, das eindeutig als BMW zu erkennen ist, welches eindeutig als 7er zu erkennen ist und macht es so, dass wir mehr davon verkaufen können als vom Vorgänger. In der Regel führen wir nach dem Erhalt des Auftrages viele Vorgespräche mit unseren Marketing-Kollegen über die Frage: „Wie können wir den Charakter des neuen 7er beschreiben?“ Erst dann legen wir mit einem Designwettbewerb innerhalb unserer Designabteilung los. Sowohl das Team für das Exterieurdesign als auch das Team für das Interieurdesign – pro Team arbeiten etwa 20 bis 30 Menschen – erhalten von mir ein kurzes Briefing. Ich halte das Briefing ganz bewusst knapp, um unseren Designern maximalen Raum zur kreativen Entfaltung zu geben. Aufgabe der Teams ist es, jetzt meine Vorgaben zu skizzieren, wobei mein Part darin besteht, jedes Team zu coachen. Aus diesen Skizzen wählen wir dann passende Entwürfe aus und probieren, wie sie in einem Maßstabsmodell aussehen. Im nächsten Schritt werden wiederum die besten Modell-Entwürfe ausgewählt und auf große Modelle übertragen. Diese präsentieren wir dem Vorstand. Am Ende wird sich für einen Exterieur- und einen Interieur-Entwurf entschieden, der innerhalb von etwa zwei Jahren bis zur „Bandreife“ weiterentwickelt wird.

Classic Driver: Wie gehen Sie mit der großen Verantwortung, die Ihre Position als Designchef BMW Automobile birgt, um?

Adrian van Hooydonk: Es ist mir sehr wohl bewusst, welche Verantwortung ich trage. Das vergesse ich nie! Der Vorstand erinnert mich auch ab und zu mal daran, indem man mir sagt: „Sie wissen schon, dass alles von Ihnen abhängt.“ Wahrscheinlich wird das auch den Motoren-Entwicklern und Fahrwerks-Spezialisten gesagt, doch nimmt das Design eine besondere Rolle ein, da es das erste ist, was ein Kunde wahrnimmt. Hinzu kommt, dass BMW eine relativ kleine Firma ist und wir uns deshalb ein Produkt, was nicht am Markt ankommt, überhaupt nicht leisten können. Der Umgang mit dieser großen Verantwortung ist vergleichbar mit der Einstellung eines Formel 1-Fahrers. Jeder Rennfahrer wird Ihnen auf die Frage: „Ist Ihnen klar, welche Risiken Sie bei jedem Rennen eingehen?“ mit „Ja, natürlich“ antworten. Fragt man ihn weiter, ob er sich dieser Risiken, kurz bevor die Ampel auf grün schaltet oder er in die erste Kurve einfährt bewusst ist, wird er sagen: „Nein, da denke ich nicht daran! Wenn ich ständig daran denken würde, könnte ich die Kurve nicht mehr fahren oder zumindest nicht so schnell fahren.“ Das heißt, ein Formel 1-Fahrer kann seinen Job nicht erfolgreich erfüllen, wenn er immer an die Gefahren seines Berufes denkt. Genauso wenig kann ein Designer kreativ sein, wenn er jede Minute über diese Verantwortung nachdenkt. Erst wenn man am Abend zur Ruhe kommt, ändert sich diese Denkweise und man macht sich Gedanken darüber. Auch der Rennfahrer wird das eine oder andere Mal zu Hause sitzen und sich überlegen: „Tja, mit über 300 Sachen durch die Kurve, das wird schon eng.“ Wir sind uns dieser Verantwortung voll und ganz bewusst, allerdings müssen wir das auch zeitweise ausblenden – anderenfalls können wir gar nichts bewegen.

Classic Driver: Bleiben wir bei dem Thema Verantwortung. Welche Verantwortung haben Sie als Autodesigner gegenüber der Umwelt?

Adrian van Hooydonk: Das ist ein sehr, sehr großes Thema, das bei uns Designern eine ganz wichtige Rolle spielt. Wir sind froh, dass wir für ein Unternehmen arbeiten, welches in dieser Hinsicht technisch schon viel geleistet hat und sich auch sehr viel vorgenommen hat. Ebenfalls wissen wir auch, dass wir als Premiumhersteller wahrscheinlich als erster solche Probleme lösen müssen. Das gehört bei unserer hohen Marktposition einfach dazu. Aber was können wir als Designer dazu beitragen? Wir können durch clevere Formen die Aerodynamik unterstützen. Der neue 7er beispielsweise hat einen Cw-Wert von 0,29 und das ist für ein so großes Auto echt gut. Darüber hinaus können wir dafür sorgen, dass keine wertvollen Materialien verschwendet werden. Das bedeutet, dass wir in Detailbereichen Materialien vernünftig einsetzten. Das sind zwei wesentliche Punkte, die uns Designern sehr wichtig sind.

Classic Driver: Gibt es ein Detail, welches Sie besonders an dem 7er mögen?

Adrian van Hooydonk: Mehrere! Wie ich engangs gesagt habe, war ich von Anfang an in der Verantwortung für die Entwicklung des 7ers. Ich kenne wirklich jedes einzelne Detail und fast jeden Millimeter des Autos. Was mir sehr gut gefällt, ist seine Seitenansicht. Sie wirkt athletisch sportlich, belibt dabei aber zurückhaltend. Es gibt sehr viele Details, die mir gefallen. Zum Beispiel die beleuchtete Augenbraue in den Frontleuchten ebenso wie die in den Rückleuchten eingesetzten Lichtbalken, die wir erstmals im Shanghai-Concept gezeigt haben. Gerade dieses Designelement wird das Heck des Autos auch bei Nacht erkennbar machen, ähnlich wie die BMW-typischen Leuchtringe der Frontscheinwerfer, deren Eindruck jetzt durch die beleuchteten Augenbrauen noch verstärkt wird. Zusätzlich gibt es sehr viele subtile Formübergänge in der Karosse. Einer ist eine interessante Linie an der C-Säule. Sie verläuft an der A-Säule hoch, folgt der Seitenfenster-Grafik und läuft an der C-Säule aus und betont dabei den sogenannten Hofmeister-Knick. Das ist ein Element, das mir an diesem Auto sehr gut gefällt.

Classic Driver: Gibt es ein Element aus den Entwürfen, das nicht den Sprung in die Serie geschafft hat?

Adrian van Hooydonk: Eigentlich nicht, denn der 7er ist ein Top-Produkt der Marke BMW. Natürlich gibt es auch bei den Designvorgaben einen Kostenrahmen. Aber gutes Design muss nicht unbedingt immer teuer sein. Wir haben es hier geschafft, speziell im Interieur, ein paar sehr interessante Neuheiten zu schaffen. In der Umsetzung waren sie zwar nicht die Günstigsten, dennoch hat BMW sie sich geleistet. Ein Beispiel dafür ist die neue Optik der Mittelkonsole. Das ganze wirkt jetzt wie eine Bildschirmoberfläche, bei der die Drehregler zur Bedienung der Klimaanlage einfach durchgesteckt sind. Wenn die Temperaturanzeige gebraucht wird, erscheint die Anzeige wie auf einem Bildschirm. Bis dato haben Autos immer relativ kleine Displays gehabt. Bei uns erinnert die Anzeige an die Oberfläche einer high-end Stereoanlage. Eines ist völlig klar, viele meiner Design-Kollegen bei anderen Marken beneiden mich für die Möglichkeit, vieles umsetzen zu können. Ich kann mich hier bei BMW wirklich nicht beschweren, gerade bei dem 7er konnten wir sehr viele Ideen umsetzen. Nicht zuletzt deswegen wirkt der Wagen hochwertig und harmonisch.

Classic Driver: Wenn der 7er ein Stuhl wäre, welcher wäre er?

Adrian van Hooydonk: Es wäre schön, wenn der 7er so langlebig wäre, wie der berühmte Lounge-Chair von Charles Eames. Im Vergleich zu dem Lounge-Chair sehe ich auf gewisse Art und Weise noch eine andere Verbindung. Dieser Sessel wirkt noch immer luxuriös und modern. Moderner Luxus ist das, was BMW immer versucht hat auszudrücken. Wir sind eine Marke, die für moderne Technik und Luxus steht und genau das haben wir im 7er umgesetzt: Er steht für modernen Luxus.

Classic Driver: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


Interview: J. Philip Rathgen


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