Automobilmuseum neu definiert: Prototyp im Hamburger Hafen. Anlässlich der Hamburger „langen Nacht der Museen“ öffnete die Backsteinburg an der Shanghaialle zum ersten Mal ihre Tore für die Öffentlichkeit. Und die zeigte reges Interesse. Classic Driver inspizierte das Quartier noch vor dem ersten Start und zeigt exklusive Eindrücke der Sammlung Prototyp.
Obwohl der Prototyp noch nicht fertig ist, sprang der Funke bereits über: Im Rahmen der Hamburger „langen Nacht der Museum“ öffnete das ungewöhnliche Prototyp Werk zum ersten Mal einen Teil des trutzigen Speichers für die Öffentlichkeit. Und die zeigte reges Interesse an einer ungewöhnlichen Sammlung mit Schwerpunkt auf die Marke Porsche und einem weiteren Fokus auf Sport- und Rennwagen.
„Work in progress“: Bis zuletzt werkelte das Team um Prototyp-Ideenbegründer Thomas König und Oliver Schmidt emsig an der Präsentation automobiler Raritäten auf zwei Stockwerken. Sogar das Schweißgerät musste kurz nach der Öffnung an einem zum Fahrsimulator umgebauten 356er Porsche Speedster noch einmal ran – um im Vorderwagen für ausreichend Halt und Stabilität zu sorgen. Dann aber lief es rund: Mit vielen Besuchern und Gästen, einem Defilee an alten und neuen Porsche-Sportwagen auf der Shanghaiallee und im Innenhof des Prototyps, angeregten Benzinkonversationen und Glückwünschen an die Macher des Museums, das noch am Entstehen ist.
Thomas König und Oliver Schmidt zeigten sich beeindruckt von der großen Resonanz auf ihre erste Öffnung: „Auf so großen Zuspruch hatten wir kaum zu hoffen gewagt. Die Resonanz des langen Abends belegt: automobile Geschichte kann quicklebendig sein. Uns gibt das neue Energie für den Endspurt bis zu unserer Eröffnung im Herbst.“
Einige ausgewählte Exponate hatten das Prototyp-Team bereits zur Preview in die gekalkten Hallen gerollt. Otto Mathés „Fetzenflieger“ aus dem Jahre 1952 beispielsweise, genauso wie einen Cisitalia Rennwagen oder einen Vorserien Typ A des legendären Porsche 356, Baujahr 1950. Auch ein Porsche 356 A Carrera GT und ein 356 A Speedster genossen große Aufmerksamkeit. Ein knallig oranger Porsche 924 lieferte eine ungewöhnliche Interpretation der Knautschzone. Versteckt warteten draußen zudem ein originaler Porsche Jagdwagen von 1958 und Porsche 904 Carrera GTS auf neugierige Besucher.
Einige von Ihnen kamen mit ihren eigenen Stuttgarter Sportwagen. Vor dem Prototyp und im Innenhof versammelte sich ein illustrer Kreis diverser Porsche RS-Modelle, Renn- und Rallye-Fahrzeuge, 911er der Baureihen 964, 993, 996 und 997 nebst einer ausgesuchten norddeutschen Kollektion verschiedener GT3-Modelle.
Warum soviel Porsche? Die Macher des Prototyps geben Auskunft: „Porsche war ursprünglich ein Konstruktionsbüro, das für viele Ideen im Automobilbau den Weg geebnet hat. Porsche-Innovationen finden sich heute in allen Automobilen. Und natürlich ist Porsche ein ungeheuer lebendiger Mythos.“
Einen Mythos zu neuer Lebendigkeit verhelfen, das kann offensichtlich auch der Fotograf Gregor von Stavenhagen. Er zeigte im ersten Stock eine Auswahl von Fotointerpretationen zum Thema „Audi Union Typ D im allen Lebenslagen“. Schlichtweg beeindruckend ist jedoch auch das bloße Gebäude, in dem Prototyp domiziliert. Eine echte Hamburger Backsteinburg. Thomas König: „Unser Speicher entstand von 1902 bis 1906 als ein Teil des bereits 1842 südöstlich der Speicherstadt errichteten Komplexes der Firma „New York Hamburger Gummi-Kamm-Co.“ Das besondere ist eine ungewöhnlich seltene Konstruktion mit einem Innenskelett aus gusseisernen Stützen und Gelenkträgern. Die teilweise noch leeren Räume erinnern so nicht von ungefähr auch an den filigranen Gitterrohrramen eines Sportwagen. Und tatsächlich gibt es auch einen automobilen Bezugspunkt in der Geschichte des Gebäudes, wie Oliver Schmidt erläutert: „ In den vierziger und fünfziger Jahren wurden hier automobile Gebrauchsgrafiken für die Firmen Auto Union, VW und Borgward entworfen und produziert. Dazu gesellte sich die Herstellung der allerersten Tankstellen-Banner und der Ausbau zu einer der größten Druckereien Deutschlands.“
Eine echte Kreativschmiede. Da wundert es kaum, dass die ersten Eindrücken vom Projekt Prototyp auch Assoziationen an das Konzept der Meilenwerke in Berlin und Düsseldorf wecken – ohne jedoch den direkten Vergleich zu fordern. Auch hierbei dreht sich alles um Automobile in historischen Gemäuern. Dennoch wird deutlich, dass Prototyp anders wirkt: fokussierter, experimenteller und stärker noch der Chronistenpflicht verbunden, weil es ganz gezielt einen Teil Automobilhistorie dokumentiert, pflegt und auch zu neuem Leben erweckt. Insofern funktioniert Prototyp tatsächlich auch ein wenig wie eine automobile Zeitmaschine.
Der erste Vorgeschmack lässt erahnen, wie der Prototyp nach dem Start laufen wird: Die Galerie der Exponate soll dann mit einer Erlebnisgastronomie verschmelzen, Fahrsimulatoren in echten Karosserien werden längst vergessene Fahrerlebnisse halb virtuell halb real zurückholen und eine gläserne Werkstatt wird von Geduld und Sorgfalt laufender Fahrzeugrestaurationen berichten. Im Prototyp sollen noch einige automobile Projekte ein zweites Leben erhalten. Wir freuen uns schon heute darauf. Denn es gibt schließlich noch mehr Stockwerke im Speicher an der Shanghaiallee. Und da ist noch Platz. Reichlich.
Weitere Informationen zu Prototyp Hamburg finden Sie unter www.prototyp-hamburg.com.
Text & Fotos: Mathias Paulokat
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