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Magazin

Eine Schulstunde mit dem V8-befeuerten Brabus SLK65 von Tom Cruise

In 1998 wagte Brabus einen extremen Versuch des Konzepts kleines Auto – gewaltiger Motor mit dem äußerst seltenen, von einem V8 angetriebenen Mercedes SLK65. Er wurde einst von Tom Cruise am Filmset als Daily Driver gefahren. Jetzt haben wir mit diesem Pocket Rocket wieder die Schulbank gedrückt.

Die Vereinigten Staaten mögen zwar die Heimat des Muscle Car sein, aber ich würde dagegen halten, dass dieses Rezept erst wirklich in Deutschland mit seiner Ingenieurskunst perfektioniert worden ist, als man hierzulande Gefallen an diesem Genre fand. Es beruht auf einem einfachen Konzept: Man nehme ein Auto, eigentlich taugt dafür jedes, und versenkt darin einen Motor, der wirklich viel zu stark ist, um vernünftig, gar sicher zu sein. AMG ist für diesen Ansatz eine der ersten Adressen, aber wenn selbst die wildesten Modelle aus Affalterbach noch nicht ganz diesen speziellen Anforderungen genügen, dann gibt es nur mehr einen Tuner für das Projekt Wahnsinn: Brabus.

Vor ein paar Monaten tauchte dieser SLK auf unserem Instagram-Feed auf – ich habe einen Blick auf diese wunderbaren Brabus-Räder und auf den aggressiven Auftritt geworfen und wusste, ich muss dieses Auto einfach selbst erleben. Nachdem ein paar Mitteilungen zwischen mir und dem Besitzer (@40collection auf Instagram) stand fest, dass eine Unterweisung in diesen mysteriösen Mercedes nur an einer der ältesten Schulen der Welt stattfinden konnte.

Und so fand ich mich in der Gegenwart von Fräcke tragenden Teenagern im Herzen des Eton College wieder, wo diese Schuluniform Tradition ist, gleichzeitig machte ich mir Sorgen, ob ich mir einen Verweis einhandeln würde, weil ich mit diesem automobilen Delinquenten die ehrwürdige Schulstätte betreten wollte. Doch bevor Lehrer mir eine Standpauke halten konnten, rollte der Held unserer Geschichte um die Ecke: ein rechtslenkender Brabus SLK65 von 1998, ein echter One-of-One.

Der ursprüngliche R170 SLK besitzt ohne Frage ein fantastisches Design, aber wir erinnern uns alle, dass man ihm seinerzeit regelmäßig das boshafte Etikett „aber das ist doch ein Friseurinnenauto!“ verpasste. Eine Beleidigung, die ich nie nachvollziehen konnte, denn das Friseurhandwerk erfordert ein geradezu angeborenes Stilgefühl – denjenigen unter diesen höhnenden Höhlenbewohnern möchte ich sehen, der die Maskulinität dieses SLK in Frage zu stellen wagt. Teils, weil da ein massiger 6,5-Liter-V8 unter der Motorhaube lauert, aber auch, weil Brabus während der Umwandlung so viele Upgrades am Exemplar vornahmen, dass sie nach deutschem Gesetz erst als Hersteller zertifiziert werden mussten.

Nachdem der ursprüngliche 2,3-Liter-Vierzylinder aus dem Motorraum gehoben und womöglich in einem Container landete, machte sich Brabus an die Arbeit, dieses Mammut von einem V8 einzupassen. Mit einem M119 Mercedes-V8 als Ausgangspunkt, bohrten die Tuning-Spezialisten den Motor auf 6,5 Liter Hubraum auf und passten optimierte Kurbelwellen und Kolben ein, um dem kompakten kleinen Sportwagen einen Leistungs-Overkill zu servieren. Um möglicher, späterer Strafverfolgung zu entgehen, erhielten die Räder und Reifen des SLK ein Upgrade, die Federung wurde straffer gezogen und vor allem erhielt dieses deutsche Muskelauto auch die größten Bremsen am Markt. Im Innenraum erstreckte sich allein die Länge der Bestickung der Teppiche auf 22 Kilometer, während der Rest des Leders in luxuriösem Leder ausgekleidet wurde. Als letzten Schliff wurde der Handbremshebel gegen einen aus massivem Aluminium ausgetauscht, der genauso gut an einem Maschinengewehr statt in einem Mercedes-Roadster angemessen gewesen wäre.

Das Resultat dieser Eingriffe? Ein annähernd 450 PS starkes Monster, dass in der Lage ist, die ehrlicherweise erschreckende Top Speed von 286 Stundenkilometer zu erreichen. Man muss nicht mit besonders ausgeprägter Fantasie ausgestattet sein, um zu ahnen, dass jeder potenzieller Fahrer dieses Brabus sehr viel Mut mitbringen muss. Sogar Jeremy Clarkson beschrieb ihn als „das erschauernste Auto, dass ich je gefahren habe“ und fügte hinzu: „Londons Rathaus wird es verbieten müssen“. In weiser Voraussicht baute Brabus tatsächlich nur fünf Stück dieser V8-Irren, jeder kostete damals umgerechnet aberwitzige knapp 139.000 Euro – gut 23.000 Euro teurer als ein Ferrari F355. Drei dieser fünf Exemplare wurden als Linkslenker konfiguriert – eines davon soll angeblich von Bill Gates erworben worden sein -, bei den beiden anderen saß das Lenkrad auf der rechten Seite. Wie Sie sich erinnern, hatte ich eingangs geschrieben, dass es sich hier um ein Unikat handelt, denn leider musste das Schwesterauto des SLK65 vor einigen Jahren in Hongkong abgeschrieben werden. Damit ist dieser Über-SLK das einzig erhaltene Exemplar.

Natürlich sollte so ein seltenes und exklusives Meisterstück an Umrüstung auch eine ebenso beeindruckende Eignerhistorie aufweisen: Tatsächlich hat keine anderer als Filmstar Tom Cruise dieses Auto in Diensten genommen, der es während der Dreharbeiten in Großbritannien von „Eyes Wide Shut“ – dem letzten Film des legendären Stanley Kubrick – als Daily Driver fuhr. Ursprünglich begnügte sich Tom Cruise damit, den SLK als Brabus-Double zu fahren, aber konnte zum Glück davon überzeugt werden, es nach nur 8.047 Kilometern tatsächlich aufrüsten zu lassen.

Auf dem Papier ist der SLK65 schon faszinierend genug, aber live entwickelt er im Überfluss den Charme alter Schule. Er erstreckt sich zwar auf unter vier Meter, dennoch nimmt es die schiere Präsenz des SLK locker mit allen anderen auf vier Rädern auf, allein die V8-Maschinengewehrsalven, die der Auspuff ausstößt, rücken ihn akustisch in die Nähe der größten Sportwagen. Diese Idee eines winzigen, von einem V8 angetriebenen Zweisitzer, der Benzin so durstig verschlingt wie er Tempolimits am Straßenrand zurücklässt, ist so antiquiert wie die Eliteschule Eton College, doch gerade dieses Konzept scheint immer mehr an Attraktivität zu gewinnen, während wir uns beharrlich auf eine rein elektrische Zukunft hin bewegen. Wenn der Verbrennungsmotor dereinst ein letztes Mal auf Touren kommt, dient der Brabus SLK65 als Erinnerung daran, dass es wirklich keinen Ersatz für Hubraum gibt – oder wie man in Eton zu sagen pflegt: „No replacement for displacement“.

Photos by Mikey Snelgar
 

Dieser Brabus SLK65 residiert zwar in einer Privatsammlung, aber bei Brabus Classic gibt eine Fülle an großartigen Sammlerautos zum Verkauf im Classic Driver Markt